Jüdisches Leben in EuropaMit der Hilfe des Himmels

Promises - endlich auf Video!


 

Unbedeutend?
Wer hat Angst vor dem Genfer Abkommen?

Ksenia Svetlova
[ENGLISH]

Der fortwährende Aufruhr in den palästinensischen Gebieten, die unsichere Zukunft der Abu-Ala-Regierung und der tragische Tod dreier Amerikanischer Angestellter von Cyncorp, die im Dienst als Sicherheitskräfte für die US-Amerikanische Botschaft getötet wurden, überschattete eines der bezeichnendsten Ereignisse der letzten paar Monate:

Den Abschluß des Genfer Abkommens zwischen israelischen und palästinensischen „Tauben“. Zehn Jahre sind vergangen seit dem Abschluß des Oslo-Abkommens, und genau wie damals kam die Offenbarung einer Einigung wie ein Gewitter aus heiterem Himmel. Die Lager derjenigen in Ramallah und Jerusalem, die aufrichtig an eine friedliche Lösung für beide Nationen glauben sind klein und einsam, genau wie damals, wenn nicht sogar kleiner.

Das Blutvergießen der letzten Jahre hat die Zahl der Friedensaktivisten mit Olivenzweigen in den Händen auf beiden Seiten wirkungsvoll verkleinert.

Die Bilder tausender Erschlagener und Verwundeter, Anfang der 1990er als „Die Opfer des Friedens“ überschrieben und eine Dekade später als „Die Opfer des Terrors“, unterdrücken den Glauben an den Sieg des gesunden Menschenverstandes über Fanatismus, Extremismus und Emotionen. Letztere sind dieser Tage zweifellos in Mode.

Amtsträger in Jerusalem und Ramallah haben nicht viel Zeit auf das Studium des Genfer Abkommen verschwendet, und das Papier fand schnell seinen Weg in den Papierkorb.

Ihre jeweiligen Äußerungen auf Hebräisch und Arabisch, zwei Sprachen, die sich gewaltig voneinander unterscheiden, klangen diesmal fast gleich. Die Autoren des Genfer Papiers wurden als Verräter bezeichnet, die nur sich selbst verträten. „Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen“, behauptete Ehud Barak, ex-Premierminister Israels.

Unnötig zu sagen, daß die palästinensische Verwaltung ebenfalls nicht gerade begeistert war von der Vereinbarung. Das Zugeständnis des Rechtes auf Rückkehr nach Israel verursachte einige Wut in den Palästinensischen Gebieten. Das Rückkehr-Recht gilt als zentraler Grundsatz der palästinensischen Verhandlungsposition, und bis jetzt wurde es betrachtet als einer der Pfeiler palästinensischer Diplomatie.

Bis heute hat jedes Anzeichen von Zugeständnissen auf diesem Sektor Gewalt nach sich gezogen, wie es sich auch im Hinblick auf die israelisch-palästinensische Studie des Truman-Institutes in Jerusalem und dem Dr.-Khalil-Shikaki in Ramallah zugetragen hat.

Deren Umfrage wurde in den Flüchtlingslagern in den Palästinensischen Gebieten, dem Libanon und Jordanien und zeigte, daß die Mehrheit der Flüchtlinge willig war, auf das Rückkehr-Recht zu verzichten im Austausch für einen angemessenen Ausgleich.

Kurz nachdem die Studie veröffentlicht worden war, brach ein fremder bärtiger Mann in das Shikaki-Center ein und zerstörte sowohl wertvolle Dokumente als auch die Büroeinrichtung. Diesmal haben die militanten Gruppierungen, die das Abkommen verurteilen, erklärt, es sei nicht das Papier wert, auf das es geschrieben sei. So besteht also die Hoffnung, daß die Büros der Politiker, die an den Verhandlungen teilnahmen, heil bleiben.

Noch einmal zurück zu der pessimistischen Vorhersage von Ehud Barak – selbst wenn das alte Sprichwort wahr sein sollte, und man wirklich nicht zweimal in denselben Fluß steigen kann: Wer sagt denn daß man nicht wenigstens versuchen sollte, den Fluß zum zweitenmal zu überqueren, wenn es beim ersten Mal nicht geklappt hat? Wenn Verhandlungen das Endziel sind, so wie es Israelis und Palästinenser erklärt haben, warum nicht genau jetzt sich an den Tisch setzen? Warum nicht das Genfer Abkommen als positiven Grundstock behandeln, und nicht als Verbrechen gegen den Staat, als die der israelische Außenminister Silvan Shalom das Abkommen bezeichnet hat?

Seit Juli 2000 sagen die Israelis, es gebe keinen adäquaten Partner auf der anderen Seite. Nun – das aktuelle Abkommen zeigt klar, daß es einen gibt. Selbst in ihrer gegenwärtigen und in gewisser Weise unvollendeten Form, die viele Fragen offen läßt, vereint die palästinensiche Delegation, die das Abkommen unterzeichnete, ein breites Spektrum von politischen Bewegungen und Parteien in den palästinensischen Gebieten. Vom Veteranen Abed-Rabbo bis zu jüngeren Mitgliedern der Fateh und Gesandten des inhaftierten Marwan Barghoutti.

Und trotzdem besteht noch das Gefühl auf der israelischen Seite, daß diese Leute nicht der großen Menge angehören; daß sie nicht den Willen der palästinensischen Masse repräsentieren, und sie selbstverständlich sind nicht berechtigt, in deren Auftrag zu verhandeln. Doch jede Partei, die verhandlungswillig ist, als unbedeutend oder marginal zu bezeichnen, stärkt die emotionale und psychische Mauer der Mißverständnisse und den Haß, der schon zwischen den beiden Seiten besteht. Die Geschichte lehrt, daß der Friede nicht immer von den  Mehrheiten gebracht wurde.

Jetzt, wo wir 25 Jahre Frieden zwischen Israel und Ägypten feiern, ist es an der Zeit, daran zu erinnern, daß eine überwältigende Mehrheit von Ägyptern dagegen war, als Anwar Saddat nach Jerusalem reisen und die Beziehungen mit dem Jüdischen Staat normalisieren wollte. 1977 sah es so aus, als würden die Verhandlungen von Camp David zwischen Israel und Saddat abgehalten, nicht zwischen Israel und Ägypten. Bedeutet das, daß Menachem Begin einen Fehler machte, als er mit einem Mann verhandelte, der nicht die Mehrheit seiner Bürger vertrat?

Natürlich nicht! Heute, 25 Jahre seit der historischen Rede Saddats in der Knesset, sind die Beziehungen der beiden Staaten noch immer angespannt, aber selbst ein eisiger Friede ist besser als der glühende Krieg.

Der Schritt voran, der von beiden Seiten in Jordanien gegangen wurde, sollte als das genommen werden, was er ist – ein vertrauensvoller Sprung vorwärts und ein aufrichtiger Versuch, den echten „Frieden der Tapferen“ voranzutreiben, Hand in Hand.

Ksenia Svetlova ist Kolumnistin der israelischen russischsprachigen Zeitung „Novosty Nedeli“. Quelle: AMIN.org, 17. September 2003
http://amin.org/eng/index.html

HINTERGRUND

Der Vertragsentwurf in deutscher Sprache:
Die Genfer Initiative
Am 1. Dezember 2003 haben israelische und palästinensische Persönlichkeiten die „Genfer Initiative“ unterzeichnet...

Texte und Landkarten:
Gebietsaustausch und territoriale Integrität / Status von Jerusalem
Israel und Palästina nach dem Genfer Entwurf...

Dokumentation eines inoffiziellen Abkommens:
Hoffnungen nach Genf
Je tiefer sich der Konflikt einfrisst, desto stärker wird die Neigung bei beiden Völkern, sich hinter ihren jeweiligen historischen und religiösen Rechtfertigungen zu verschanzen; desto mächtiger werden auf beiden Seiten die religiösen Bewegungen...

Dokumentation eines inoffiziellen Abkommens:
Warum Scharon sich fürchtet
In der israelischen Gesellschaft ist die Genfer Initiative äußerst zwiespältig aufgenommen worden. Alle Israelis hoffen auf Frieden, doch viele trauen dem Abkommen nicht. Bei einer Mehrheit dominiert die Furcht, zu viele Zugeständnisse gemacht zu haben...

hagalil.com 19-12-2003

Books


DE-Titel
US-Titel

Refusenik Watch,
Refuse
Gush Shalom
New Profile
Shalom achshav
Taayush

Copyright: hagalil.com / 1995...

haGalil onLine