Die Genfer Initiative:
Entwurf eines Abkommens über den endgültigen
Status
Artikel 6 – Jerusalem
1.
Religiöse und kulturelle Bedeutung
i. Die
Parteien anerkennen die universelle historische, religiöse, spirituelle und
kulturelle Bedeutung von Jerusalem und seiner Heiligkeit für das Judentum,
das Christentum und den Islam. In Anerkennung dieses Status bekräftigen die
Parteien erneut ihre Verpflichtung, Charakter, Heiligkeit und Freiheit der
Religionsausübung in der Stadt zu gewährleisten und die existierende
Aufteilung der Verwaltungsaufgaben und der traditionellen Praktiken unter
den verschiedenen Konfessionen zu respektieren.
ii. Die
Parteien errichten ein interkonfessionelles Gremium aus Vertretern der drei
monotheistischen Religionen, um als Beratungsgremium für die Parteien in
Angelegenheiten zu fungieren, die in Verbindung mit der religiösen Bedeutung
der Stadt stehen, und um das Verständnis und den Dialog zwischen den
Religionen zu fördern. Zusammensetzung, Verfahren und Modalitäten für dieses
Gremium sind in Anhang X beschrieben.
2.
Hauptstadt zweier Staaten
Die Parteien
haben ihre gegenseitig anerkannten Hauptstädte in den Gebieten von Jerusalem
unter ihrer jeweiligen Souveränität.
3.
Souveränität
Die
Souveränität in Jerusalem entspricht der beigefügten Karte 2. Dies
beeinträchtigt die unten angeführten Regelungen nicht und wird auch nicht
von ihnen beeinträchtigt.
4.
Grenzregime
Das
Grenzregime wird entsprechend den Bestimmungen des Artikels 11 eingerichtet
und berücksichtigt die besonderen Bedürfnisse Jerusalems (z.B.
Touristenbewegung und Intensität der Verwendung von Grenzübergängen,
einschließlich der Bestimmungen für Jerusalemer) sowie die Bestimmungen
dieses Artikels.
5. al-Haram al-Sharif /
Tempelberg (Komplex)
i.
Internationale Gruppe:
a. Eine
Internationale Gruppe, bestehend aus der IVG und anderen von den Parteien zu
vereinbarenden Parteien, einschließlich Mitglieder der Organisation der
Islamischen Konferenz (Organization of the Islamic Conference / OIC)
wird hiermit zwecks Überwachung, Überprüfung und Unterstützung der
Implementierung dieses Punktes eingesetzt.
b. Zu diesem
Zweck errichtet die Internationale Gruppe eine Multinationale Präsenz in dem
Komplex, deren Zusammensetzung, Aufbau, Mandat und Funktionen in Anhang X
angeführt sind.
c. Die
Multinationale Präsenz hat spezialisierte Abteilungen, die sich mit
Sicherheit und Erhaltung befassen. Die Multinationale Präsenz erstattet
der Internationalen Gruppe periodische
Erhaltungs- und Sicherheitsberichte. Diese Berichte sind zu veröffentlichen.
d. Die
Multinationale Präsenz ist bemüht, alle auftretenden Probleme unverzüglich
zu lösen, und kann alle ungelösten Streitigkeiten an die Internationale
Gruppe weiterleiten, die gemäß Artikel 16 vorgehen wird.
e. Die
Parteien können jederzeit Klarstellungen fordern oder bei der
Internationalen Gruppe Beschwerde führen, die unverzüglich eine Untersuchung
durchführen und Handlungen setzen wird.
f. Die
Internationale Gruppe erarbeitet Vorschriften und Verordnungen, um für die
Sicherheit im und die Erhaltung des Komplexes zu sorgen. Diese beinhalten
Listen von Waffen und Ausrüstung, die auf dem Gelände erlaubt sind.
ii.
Verordnungen für den Komplex:
a.
Angesichts der Heiligkeit des Komplexes und in Anbetracht der einzigartigen
religiösen und kulturellen Bedeutung der Stätte für das jüdische Volk werden
in dem Komplex keine Grabungen, Ausgrabungen oder baulichen Aktivitäten
durchgeführt, sofern dies nicht von beiden Parteien genehmigt wurde.
Verfahren für regelmäßige Instandhaltung und Notfallreparaturen im Komplex
werden von der IG nach Rücksprache mit den Parteien eingerichtet.
b. Der Staat
Palästina ist verantwortlich dafür, die Sicherheit des Komplexes
aufrechtzuerhalten und zu gewährleisten, dass er nicht für feindliche
Handlungen gegen Israelis oder israelische Gebiete verwendet wird. Die
einzigen Waffen, die im Komplex erlaubt sind, sind die des palästinensischen
Sicherheitspersonals und der Sicherheitsabteilung der Multinationalen
Präsenz.
c. In
Anbetracht der universellen Bedeutung des Komplexes und vorbehaltlich der
Sicherheitserwägungen und der Notwendigkeit, die Religionsausübung nicht zu
stören oder die vom Waqf
für die Stätte festgelegten Anstandsregeln
nicht zu verletzen, wird Besuchern der Zutritt zu der Stätte gestattet. Dies
erfolgt ohne jegliche Diskriminierung und entspricht im Allgemeinen der
bisherigen Vorgangsweise.
iii.
Transfer der Autorität:
a. Am Ende
der in Artikel 5/7 festgelegten Abzugsperiode übernimmt der Staat Palästina
die Souveränität über den Bezirk.
b. Sofern
von den beiden Parteien nicht anders vereinbart, bestehen die Internationale
Gruppe und ihre Hilfsorgane weiter und erfüllen weiter alle in diesem
Artikel festgelegten Funktionen.
6. Die
Klagemauer
Die
Klagemauer steht unter israelischer Souveränität.
7. Die
Altstadt
i. Bedeutung
der Altstadt:
a. Die
Parteien betrachten die Altstadt als ein Ganzes mit einzigartigem Charakter.
Die Parteien vereinbaren, dass die Erhaltung dieses einzigartigen Charakters
zusammen mit der Sicherung und Förderung des Wohlergehens der Bewohner für
die Verwaltung der Altstadt bestimmend sein sollte.
b. Die
Parteien handeln gemäß den Vorschriften der Weltkulturerbeliste der UNESCO,
in welche die Altstadt aufgenommen wurde.
ii. Rolle
der IVG in der Altstadt
a.
Kulturelles Erbe:
1. Die IVG
überwacht und überprüft die Erhaltung des kulturellen Erbes in der Altstadt
gemäß den Vorschriften der UNESCO-Weltkulturerbeliste. Zu diesem Zweck hat
die IVG freien und ungehinderten Zugang zu Bereichen, Dokumenten und
Informationen, die mit der Erfüllung dieser Aufgabe in Zusammenhang stehen.
2. Die IVG
arbeitet in enger Koordination mit dem Altstadtausschuss des Koordinations-
und Entwicklungsausschusses für Jerusalem (Old City Committee of the
Jerusalem Coordination and Development Committee / JCDC) zusammen, unter
anderem bei der Erstellung eines Restaurierungs- und Erhaltungsplans für die
Altstadt.
b. Polizei
1. Die IVG
setzt eine Polizeieinheit für die Altstadt ein (Old City Policing Unit /
PU) zwecks Verbindung mit, Koordination zwischen und Unterstützung der
palästinensischen und israelischen Polizei in der Altstadt, Entschärfung
lokaler Spannungen und Hilfe bei der Beilegung von Streitigkeiten, sowie für
die Durchführung polizeilicher Aufgaben an den in Anhang X spezifizierten
Orten und gemäß den in Anhang X angeführten Einsatzverfahren.
2. Die PU
erstattet der IVG periodisch Bericht.
c. Jede
Partei kann im Zusammenhang mit diesem Punkt bei der IVG Beschwerde führen,
die unverzüglich gemäß Artikel 16 zu handeln hat.
iii. Freie
Fortbewegung innerhalb der Altstadt:
Die
Fortbewegung innerhalb der Altstadt ist frei und ungehindert, vorbehaltlich
der Bestimmungen dieses Artikels und der Vorschriften und Verordnungen
betreffend die verschiedenen heiligen Stätten.
iv. Zutritt
zur bzw. Verlassen der Altstadt:
a. Eingangs-
und Ausgangsstellen der Altstadt werden von den Behörden desjenigen Staates
mit Personal besetzt, unter dessen Souveränität sich die Stelle befindet,
wobei auch Mitglieder der PU anwesend sind, sofern nicht anders festgelegt.
b. Um den
Zugang innerhalb der Altstadt zu erleichtern, unternimmt jede Partei an den
Eingangsstellen in ihr Staatsgebiet die zur Erhaltung der Sicherheit in der
Altstadt erforderlichen Maßnahmen. Die PU überwacht den Betrieb der
Eingangsstellen.
c.
Staatsangehörige beider Parteien dürfen von der Altstadt aus nicht das
Staatsgebiet der anderen Partei betreten, sofern sie nicht im Besitz der
entsprechenden Dokumente sind, die sie dazu berechtigen. Touristen dürfen
von der Altstadt aus nur das Staatsgebiet jener Partei betreten, für das sie
eine gültige Einreisegenehmigung besitzen.
v.
Aussetzung, Beendigung, Erweiterung:
a. Jede
Partei kann die in Artikel 6.7.iii festgelegten Regelungen in Notfällen für
eine Woche aussetzen. Die Verlängerung einer solchen Aussetzung über eine
Woche hinaus erfolgt nach Rücksprache mit der anderen Partei und der IVG in
dem laut Artikel 3/3 gegründeten Trilateralen Ausschuss.
b. Dieser
Punkt ist nicht auf die in Artikel 6/7/vi festgelegten Regelungen anwendbar.
c. Drei
Jahre nach dem Transfer der Autorität über die Altstadt überprüfen die
Parteien diese Regelungen. Diese Regelungen können nur über Vereinbarung der
Parteien beendet werden.
d. Die
Parteien prüfen die Möglichkeit, diese Regelungen über die Altstadt hinaus
zu erweitern, und können einer solchen Erweiterung zustimmen.
vi.
Sonderregelungen:
a. Entlang
dem in Karte X eingezeichneten Weg (vom Jaffator zum Zionstor) gibt es
ständige und garantierte Regelungen für Israelis hinsichtlich Zugang,
Fortbewegungsfreiheit und Sicherheit, wie in Anhang X festgelegt.
1. Die IVG
ist für die Implementierung dieser Regelungen verantwortlich.
b.
Unbeschadet der palästinensischen Souveränität entspricht die israelische
Verwaltung der Zitadelle der Beschreibung in Anhang X.
vii.
Farbkodierung der Altstadt:
In der
Altstadt wird ein sichtbares Farbkodierungsschema verwendet, um die
souveränen Gebiete der jeweiligen Parteien zu kennzeichnen.
viii.
Polizei:
a. Eine
vereinbarte Anzahl israelischer Polizisten bildet das israelische
Polizeiaufgebot für die Altstadt und ist verantwortlich für die
Aufrechterhaltung der Ordnung und die täglichen Polizeiaufgaben in dem
Gebiet unter israelischer Souveränität.
b. Eine
vereinbarte Anzahl palästinensischer Polizisten bildet das palästinensische
Polizeiaufgebot für die Altstadt und ist verantwortlich für die
Aufrechterhaltung der Ordnung und die täglichen Polizeiaufgaben in dem
Gebiet unter palästinensischer Souveränität.
c. Spezielle
Schulungen aller Mitglieder der israelischen und palästinensischen
Polizeiaufgebote für die Altstadt, einschließlich gemeinsamer
Trainingsübungen, sind von der PU durchzuführen.
d. Ein
spezieller Raum (Joint Situation Room), unter der Leitung der PU und
unter Einbeziehung von Mitgliedern der israelischen und palästinensischen
Polizeiaufgebote für die Altstadt, fördert die Verbindung in allen
relevanten Polizei- und Sicherheitsangelegenheiten in der Altstadt.
ix. Waffen:
In der
Altstadt darf niemand Waffen tragen oder besitzen, mit Ausnahme der in
diesem Abkommen vorgesehenen Polizeikräfte. Zusätzlich kann jede Partei
schriftliche Sondergenehmigungen für das Tragen oder den Besitz von Waffen
in Gebieten erteilen, die unter ihre Souveränität fallen.
x.
Nachrichtendienst und Sicherheit:
a. Die
Parteien begründen eine intensive Zusammenarbeit in Bezug auf den
Nachrichtendienst in der Altstadt, einschließlich der unverzüglichen
gegenseitigen Benachrichtigung über etwaige Bedrohungen.
b. Zur
Förderung dieser Kooperation wird ein trilateraler Ausschuss eingesetzt, der
aus den beiden Parteien sowie Vertretern der Vereinigten Staaten besteht.
8.
Friedhof auf dem Ölberg
i. Das in
Karte X eingezeichnete Gebiet (der jüdische Friedhof auf dem Ölberg)
befindet sich unter israelischer Verwaltung; israelisches Recht gilt für
Personen, die dieses Gebiet benutzen, und Verfahren, die sich auf dieses
Gebiet beziehen, in Übereinstimmung mit Anhang X.
a. Eine
festgelegte Straße gewährleistet freien, unbeschränkten und ungehinderten
Zugang zu dem Friedhof.
b. Die IVG
überwacht die Implementierung dieses Punkts.
c. Diese
Regelung kann nur über Vereinbarung beider Parteien beendet werden.
9.
Besondere Regelungen für Friedhöfe
In den
beiden in Karte X bezeichneten Friedhöfen (Zionsberg-Friedhof und Friedhof
der Deutschen Kolonie) sind Regelungen zu treffen, um die Weiterführung der
derzeitigen Bräuche im Zusammenhang mit Begräbnissen und Friedhofsbesuchen
zu erleichtern und zu gewährleisten, einschließlich Erleichterung des
Zugangs.
10. Der
Westmauer-Tunnel
i. Der in
Karte X bezeichnete Westmauer-Tunnel befindet sich unter israelischer
Verwaltung, einschließlich folgender Punkte:
a.
Unbeschränkter israelischer Zugang sowie Recht auf Religionsausübung und
Durchführung religiöser Bräuche.
b.
Verantwortlichkeit für die Erhaltung und Instandhaltung der Stätte gemäß
diesem Abkommen und ohne Beschädigung der oben angeführten Bauten, unter
Aufsicht der IVG.
c.
Überwachung durch die israelische Polizei.
d. Kontrolle
durch die IVG.
e. Der
nördliche Ausgang des Tunnels ist nur für dessen Verlassen zu verwenden und
darf nur im Notfall geschlossen werden, wie in Artikel 6/7 festgelegt.
ii. Diese
Regelung kann nur über Vereinbarung beider Parteien beendet werden.
11.
Kommunale Koordination
i. Die
beiden Stadtgemeinden Jerusalems bilden einen
Koordinations- und Entwicklungsausschuss für Jerusalem (Jerusalem
Coordination and Development Committee / JCDC), um die Zusammenarbeit
und Koordination zwischen der palästinensischen Stadtgemeinde Jerusalems und
der israelischen Stadtgemeinde Jerusalems zu beaufsichtigen. Der JCDC und
seine Unterausschüsse bestehen aus je der gleichen Anzahl von Repräsentanten
aus Palästina und Israel. Jede Seite ernennt Mitglieder für den JCDC und
seine Unterausschüsse entsprechend ihren eigenen Modalitäten.
ii. Der JCDC
sorgt dafür, dass die Koordination der Infrastruktur und der
Dienstleistungen die Einwohner Jerusalems bestmöglich versorgt, und fördert
die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt zum allgemeinen Nutzen. Der JCDC
unterstützt den Dialog und die Versöhnung zwischen den Gemeinschaften.
iii. Der
JCDC hat die folgenden Unterausschüsse:
a. Einen
Planungs- und Bebauungsausschuss, um die vereinbarten Planungs- und
Bebauungsverordnungen in den in Anhang X bezeichneten Gebieten zu
gewährleisten.
b. Einen
Wasser-Infrastrukturausschuss für Angelegenheiten betreffend
Trinkwasserversorgung, Kanalisation und Abwassersammlung und -aufbereitung.
c. Einen
Verkehrsausschuss, um wesentliche Verbindungen zwischen den beiden
Straßensystemen, deren Kompatibilität und andere verkehrsbezogener Probleme
zu koordinieren.
d. Einen
Umweltausschuss zur Behandlung von Umweltfragen, welche die Lebensqualität
in der Stadt beeinflussen, einschließlich Abfallbehandlung.
e. Einen
Wirtschafts- und Entwicklungsausschuss, um Pläne für wirtschaftliche
Entwicklung in gemeinsamen Interessensbereichen zu formulieren,
einschließlich der Bereiche Verkehr, kommerzielle Zusammenarbeit an den
Nahtlinien, sowie Fremdenverkehr.
f. Einen
Ausschuss für Polizei und Notfallsdienste, um die Maßnahmen zur
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Verbrechensverhütung sowie
die Versorgung mit Notfallsdiensten zu koordinieren.
g. Einen
Altstadtausschuss, um die gemeinsame Versorgung mit den relevanten
kommunalen Dienstleistungen und anderen in Artikel 6/7 festgelegten
Funktionen zu planen und zu koordinieren.
h. Andere
Ausschüsse, wie im JCDC vereinbart.
12.
Israelischer Wohnsitz palästinensischer Jerusalemer
Palästinensische Jerusalemer, die gegenwärtig ihren ständigen Wohnsitz in
Israel haben, verlieren diesen Wohnsitz-Status, sobald die Autorität über
die Gebiete, in denen sie ansässig sind, auf Palästina übergeht.
13.
Transfer der Autorität
In
bestimmten sozioökonomischen Bereichen wenden die Parteien Zwischenmaßnahmen
an, um den vereinbarten raschen und geordneten Transfer von Befugnissen und
Verpflichtungen von Israel auf Palästina zu gewährleisten. Dies erfolgt so,
dass die erworbenen sozioökonomischen Rechte der Bewohner von Ostjerusalem
erhalten werden.
>>
Artikel 7 – Flüchtlinge
Quelle ©
reiner-bernstein.de/genfer_initiative_deutsch.html
hagalil.com
16-12-2003 |