[Hebräisch/ENGLISH]
Auf eigene Faust wird es nicht klappen
Aaron David Miller
Washington - Es gibt einen alten Spruch im Nahen Osten: Wenn
du etwas gibst, verlange im Gegenzug auch etwas dafür. Sonst wirst du
nie aufhören zu geben. Dieser weise
Rat, der Israels Politik gegenüber den Nachbarn der letzten 50 Jahre geprägt
hat, scheint in letzter Zeit seine Bedeutung eingebüßt zu haben.
Zur jüngsten Serie einseitiger Vorschläge an die Adresse der
Palästinenser zählt auch die Ansprache von Premier Ariel Scharon in Herzliya
bezüglich der Handlungen, die Israel vornehmen werde, sollten die
Palästinenser sich weigern, mit ihm zu verhandeln.
Leistung ohne Gegenleistung als Ersatz für Verhandlungen kann
aber nicht klappen und wird den israelisch-palästinensischen Konflikt nur
noch weiter verschärfen. Doch während der letzten zwei Jahre war der
Ausgangspunkt der Handlungen Israels immer die Einseitigkeit, egal ob man
gesteigerte Siedlungsaktivität, einseitige Sicherheitsmaßnahmen oder
Wirtschaftsmaßnahmen betrachtet.
Selbstmordattentate, Aversion bezüglich Yasser Arafat und die Abwesenheit
eines zuverlässigen palästinensischen Sicherheitspartners haben
verständlicherweise die Bereitschaft meisten Israelis zu Alleingängen
erhöht. Die deutlichste Manifestation
dieser Neigung zu Eigenmächtigkeit ist und bleibt aber der Sicherheitswall.
Der Wall spiegelt den Frust und die Angst großer Teile der israelischen
Öffentlichkeit und des politischen Establishments wider. Seine Befürworter
sind der Ansicht, dass er schon jetzt, wo nur ein Drittel fertig gestellt
ist, einen Erfolg darstellt. Zwischen April bis Dezember 2002 gab es 17
erfolgreiche Attentate mit 89 Toten in Gegenden, die der Zaun heute berührt,
im Zeitraum von Januar bis November 2003 aber fanden nur mehr 8 Angriffe mit
51 Todesopfern statt. Unilateralismus
bestimmt nicht nur die derzeitige israelische Politik, sie hat auch das
Nachdenken über die Zukunft geprägt.
Der Friedensplan, der als "Road map" bekannt ist, ist komplett von
Initiativen überschattet worden, die keine entscheidende Mitarbeit eines
palästinensischen Gegenübers erfordern. Vizepremier Olmerts sensationelles
Interview vor kurzem, in dem er laut über einen umfassenden Rückzug aus der
West Bank und dem Gazastreifen nachdachte, erwähnte keinen palästinensischen
Vermittler. Und die lang ersehnte
Initiative Sharons fordert die einseitige Räumung einiger Siedlungen, die
einseitige Annexion von anderen, zur Probe ein paar Verhandlungen mit den
Palästinensern und falls das nicht klappt, weiteren Rückzug aus Teilgebieten
der West Bank. Unter diesen gegenwärtig
herrschenden Bedingungen hat Unilateralismus einen starken Reiz. Wenn es die
Sicherheitslage verbessert, eine jüdische Mehrheit sichert und die
Verflechtung Israels mit den Palästinensern löst, was spricht dann dagegen ?
Und welche andere Wahl hat Israel schon ?
Die Aussichten für ernsthafte israelisch-palästinensische
Verhandlungen sind in der Tat mehr als trübe. Das Verfolgen einseitiger
Initiativen, die den politischen und territorialen Status Quo ändern, wird
aber weder Israels Sicherheit erhöhen noch den Konflikt lösen.
Zunächst einmal gilt in der rauen Welt der
israelisch-palästinensischen Beziehungen ein Rückzug ohne Gegenleistung als
ein unzweideutiuges Zeichen von Schwäche, das die israelische Abschreckung
und Sicherheitslage eher verschlechtern als verbessern wird. Die sogenannte
"Marhaliyya"-Strategie, die Befreiung Palästinas in mehreren Schritten, die
sich in gewissen Kreisen der palästinensischen Bevölkerung großer
Beliebtheit erfreut, würde neuen Aufschwung erhalten.
Zweitens kann Unilateralismus schlicht und einfach nicht die
Übereinkünfte in Fragen der Wirtschaft, Politik und Sicherheit erbringen,
die nötig sind, um den Konflikt zu beenden.
Leben und Zukunft der Israelis und Palästinenser sind
unauflöslich miteinander verbunden. Diese strategische Problem kann nur
durch bilaterale Abkommen gelöst werden, die mit großer Cleverness und
Vorstellungskraft ausgehandelt wurden.
Unilateralismus wird auf der anderen Seite jede Menge Probleme hinterlassen,
Tausende von palästinensischen Einwohnern der West Bank innerhalb der
Grtenzen Israels, keine plausiblen Lösungen für die Probleme der Menschen,
auch nur zur Arbeit zu kommen, des Zugangs zu Märkten oder zu den
gemeinsamen Wasserressourcen. Und das ohne Kooperation in Sicherheitsfragen.
Kurzum, diese Strategie wird uns eine wütende und entfremdete
palästinensische Bevölkerung hinterlassen, die keinerlei Zukunftsaussichten
und nichts zu verlieren hat. Am Ende
wird die letzte Chance, den Konflikt zu beenden in einer Zweistaatenlösung
liegen, verhandelt auf Basis echter Gegenseitigkeit, andauernder
Zusammenarbeit und Interaktion zwischen Israelis und Palästinensern. Egal,
wie hoch der Frust mit dem Verhalten der Palästinenser ist, egal, wie sehr
einseitige Lösungen locken, nichts wird diese Tatsache ändern.
Leider bleibt abzuwarten, wie lange es noch dauert, bis
Israelis und Palästinenser an diesem Punkt angelangt sind- und ob eine
Zweistaatenlösung dann noch zu Debatte steht.
Der Autor ist Präsident von "Seeds of Peace", einer
gemeinnützigen Organisation, die Teenager aus beiden Konfliktgebieten
zusammenbringt. Er war 25 Jahre lang Berater von sechs amerikanischen
Staatssekretären bei den arabisch-israelischen Verhandlungen.
Übersetzung: H. Waldenberger
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09-02-2004 |