Der Friedensprozess braucht Öffentlichkeit
Von JOEL POLLAK
Joel Pollak ist Redenschreiber des südafrikanischen
Oppositionsführers Tony Leon.
HEBREW
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Es ist gar nicht solange her, im Jahr 1990, als der
Nahostkonflikt, die Situation in Südafrika und die Nordirlandquerelen alle
gleichermaßen unlösbar erschienen. Das Ende des kalten Krieges brachte eine
Aufweichung der alten Gegensätze und regte neue Initiativen zur Erzielung
einer Friedenslösung an. Während jedoch Südafrika zur Demokratie wurde und
Nordirland sich zumindest stabilisierte, kollabierten die Verhandlungen
zwischen Israel und Palästinernsern und endeten in Gewalt.
Warum?
Weil anders als in den Verhandlungen in Südafrika und
Nordirland durch den Oslo-Prozeß nie ein allseitig offenes, öffentliches
Forum für die Verhandlungspartner beider Seiten geschaffen wurde.
In Südafrika traf 1991 die Regierung mit 18 politischen
Parteien zusammen, um die Konferenz für ein demokratisches Südafrika
"Codesa" zu bilden, auf der ganz öffentlich Verhandlungen geführt wurden,
die vorher nur auf allerhöchster Ebene stattgefunden hatten.
In Nordirland wurde 1994 das "Forum for Peace and
Reconciliation" kreiert bis dann 1998 schließlich das Karfreitagsabkommen
geschlossen und eine Versammlung in Belfast für 108 Mitglieder geschaffen
wurde.
In vielerlei Hinsicht waren diese Institutionen
Enttäuschungen: die Codesa-Gespräche brachen zusammen, und die Versammlung
in Belfast taumelt von einer Krise in die nächste.
Aber die öffentlichen Foren garantierten dem
Friedensprozeß zumindest eine gewisse Beständigkeit. Durch die Einbindung
von Vertretern der Öffentlichkeit wurden auch ganz normale Leute aus dem
Volk auf indirekte und manchmal direkte Art und Weise einbezogen und somit
dem Friedensprozeß ein Leben ausserhalb der altetablierten Institutionen
gegeben.
Die öffentlichen Foren klammerten sinnvollerweise Gruppen
aus, die der Gewalt nicht abschwören wollten. Welche Handlungsweisen als
politisch legitim erachtet wurden, war somit von Anfang an klar abgesteckt.
Das ist einer der Gründe, warum der wiederholte Kollaps der Verhandlungen
nicht in eine Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfs mündete.
Diese öffentlichen Institutionen überbrückten zwar nicht
die grundsätzlichen Differenzen zwischen den beiden Lagern, sie lösten auch
nicht die vielen aufkommenden technischen Schwierigkeiten. Diplomatie über
Hintertreppchen und Nebenwege war immer noch notwendig, um die
abschliessenden Übereinkünfte zu erreichen.
Die Foren halfen jedoch, die Unterstützung und Einbindung
weiter Teile der Bevölkerung zu erlangen , womit eine politische Umgebung
geschaffen wurde, in der die ausgehandelten Abkommen Rückschläge wegstecken
konnten.
Die Architekten von Oslo verstanden, daß die Kooperation
zwischen Israelis und Palästinensern weitergehen müsste, auch nachdem ein
"endgültiges" Einverständnis erzielt wäre, vielleicht in einer den
Benelux-Staaten ähnlichen Form von Konföderation.
Die zwei Gesellschaften sind einfach zu sehr ineinander
verschlungen, sozial, geographisch und wirtschaftlich, um vollständig
getrennt zu werden. Die Gründung von gemeinsamen Institutionen wurde aber
auf das Ende des Prozesses verschoben statt sie an den Anfang zu setzen.
Im Rückblick war das ein schwerer Fehler, insbesondere im
Hinblick auf die notorische Instabilität beider politischen Systeme. Der
Kampf gegen den Feind war lange die einzige gemeinsame politische Kraft in
beiden Gesellschaften. Als Probleme auftraten, hatten friedliebende Israelis
und Palästinenser grösste Mühe, den Glauben der Öffentlichkeit auf den
Oslo-Prozeß aufrechtzuerhalten und fauchten sich lieber gegenseitig an. Wenn
ein öffentlicher Mehrparteiendialog von Anfang an existiert hätte, hätten
die Gemässigten auf beiden Seiten sich in einer Art Koalition
zusammenschliessen können, um den Friedensprozeß zu sichern.
Die von den Amerikanern unterstützte "Roadmap" sollte dem
Friedensprozeß eine zweite Chance geben. Aber wie der Oslo-Prozeß wies sie
keine öffentlichen Foren auf. Daher fand der Glaube an den Frieden nie
wirklich breite Unterstützung im Volk. Da die Gewalt immer weiter ging ,
schalteten die führenden Politiker auf beiden Seiten auf stur, und die
breite Mehrheit der Palästinenser und Isralis , die einfach nur in Frieden
leben wollen, hatten keine Stimme mehr.
Einige klammern sich an die Hoffnung, daß eine starke
Amerikanische Führung den Friedensprozeß voranbringen wird, aber die
Regierung Bush hat es unterlassen, sich voll zu engagieren. Wie dem auch
sei, ein Frieden, der Israelis und Palästinensern von aussen, sei es nun von
den USA oder sonst irgendwem aufoktroyiert wird, wird brüchig sein, nur
durch äussere Kräfte zusammengehalten ähnlich der instabilen Ruhe, die unter
der britischen Mandatsregierung herrschte.
Der Friedensplan, der kürzlich zwischen Mitgliedern der
israelischen Opposition und hochrangigen Palästinwensern aufgesetzt wurde,
das sogenannte Genfer Abkommen, ist zwar durchaus vielversprechend. Aber wie
so viele seiner Vorgänger lief diese Initiative ohne breite öffentliche
Unterstützung an und verfügt über keine institutionelle Basis vor Ort. Auf
sich gestellt hat es keine Chance, die grossen Hindernisse zu überwinden,
die ihm entgegenstehen.
Die Schaffung von öffentlichen, institutionalisierten
Mehrparteiendialogen, die sich aus gewählten israelischen und
palästinensischen Vertretern zusammensetzt, könnte eine wichtige Rolle als
Ergänzung zu Roadmap und Genfer Abkommen spielen.
Obwohl es bislang komplett übersehen wurde im Nahostkonflikt, könnte es nach
den positiven Erfahrungen in Südafrika und Nordirland der Schlüssel zum
Erfolg sein.
Übersetzung: H. Waldenberger
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Von Süd-Afrika lernen
hagalil.com 24-11-2003 |