Syrien aus einem
israelischen Blickwinkel Wenn
Israel mit Syrien verhandelt:
Wenig zu verlieren
[ENGLISH]
Von Yossi Alpher
Yossi Alpher ist
Mitherausgeber von bitterlemons.org und bitterlemons-international.org. Er
ist ehemaliger Direktor des Jaffee Center for Strategic Studies an der Tel
Aviv Universität und ehemaliger höherer Berater von Premierminister Ehud
Barak.
Israels Verhandlungserfahrung
mit Syrien und der PLO begann vor etwa 13 Jahren in Madrid. Seitdem bestehen
die taktischen Schlüsselfragen darin, ob man mit diesen beiden Akteuren
gleichzeitig oder nacheinander verhandeln soll, und wenn nacheinander, mit
wem zuerst.
Die bisherige Erfahrung fällt so
unterschiedlich aus, dass sie wenig hilfreich ist. 1948-1949 handelte Israel
in schneller Folge Waffenstillstandsabkommen mit allen benachbarten Staaten
(außer den Palästinensern) aus. 1977-1979 verhandelte man ausschließlich mit
Ägypten, das sich sogar bereit erklärte, die palästinensische Sache zu
vertreten, als man das Camp-David- Abkommen ausarbeitete.1994 verhandelte
Premierminister Yitzhak Rabin im Geheimen mit Jordanien, während der
Oslo-I-Diskussion mit der PLO, aber aus historischen, geographischen und
demographischen Gründen unterschieden sich die Verhältnisse des Dreiecks
Jordanien-PLO-Israel gewaltig von denen, die Syrien mit einbezogen.
Seit Madrid haben mehrere
israelische Regierungen unterschiedliche Ansätze verfolgt. Der frühere
israelische Premier Yitzhak Shamir verhandelte gezwungenermaßen gleichzeitig
mit Syrien und den Palästinensern, versuchte aber offensichtlich zu
gewährleisten, dass keiner der beiden Schienen erfolgreich sein würde. Die
Premierminister Rabin, Peres und Barak gaben verschiedentlich der syrischen
Seite den Vorzug. Sie folgerten, dass ein frühzeitiges Abkommen mit Syrien
und in der Folge mit dem Libanon den Kreis des Friedens um Israel schließen
und den islamistischen und sekulären palästinensischen radikalen
Terroristenorganisationen die Unterstützung entziehen und so die
Verhandlungsposition der PLO schwächen würde. Tatsächlich wurde
gewissermaßen angenommen, dass bereits die bloße Tatsache stark publik
gemachter Parallelverhandlungen mit Syrien und der PLO beide flexibler
machen würde.
Premierminister Netanyahu maß
Syrien ebenfalls größere Wichtigkeit bei. Aber er hielt die Gespräche mit
den Syrern geheim, während seine Verhandlungen mit den Palästinensern in
jedem Fall auf bestimmte Ziele begrenzt waren, zum Beispiel den Rückzug aus
Hebron und das Wye-River-Abkommen. Manche der israelischen Regierungen, etwa
Rabin, meinten, dass die israelische Öffentlichkeit zwei gleichzeitige
Abkommen mit arabischen Nachbarn, die territoriale Zugeständnisse
beinhalteten, ohnehin nicht “schlucken“ würde. Praktisch alle schienen zu
glauben, ein Handel mit Syrien würde Israel größere geo-strategische
Vorteile bringen, weit weniger kompliziert auszuhandeln und unter dem Aspekt
territorialer Zugeständnisse und unmittelbarer Vorteile für die israelische
Öffentlichkeit leichter zu akzeptieren sein.
Premierminister Ariel Sharon ist
grundsätzlich nicht an Verhandlungen mit Syrien oder der PLO interessiert,
solange das für Israel bedeutet, wesentliche territoriale Zugeständnisse zu
machen oder Vertrauen schaffende Maßnahmen anzubieten. Wegen Sharon und dem
Leiter der palästinensischen Behörde Yasser Arafat gibt es keinen
Friedensprozess mit der PLO. Die PLO/palästinensische Behörde ist so schwach
und das Chaos so verbreitet, dass Israel vielleicht sowieso keinen
lebensfähigen palästinensischen Partner hat. Daher können Gespräche mit
Syrien kaum als Taktik verstanden werden, politischen Druck auf die
Palästinenser auszuüben.
Der Schlüssel zum Verständnis dieser Situation und ihrer
Kosten und Vorteile für Israel liegt in der amerikanischen Politik in der
Region nach dem 9.11. Dank dem US-Krieg gegen den Terrorismus und der
Besatzung des Irak, ist die regionalstrategische Situation Israels so gut
wie nie zuvor: Es gibt keine Bedrohung durch einen konventionellen Krieg und
ein mächtiger amerikanischer Verbündeter zielt auf die
Massenvernichtungswaffen und den islamischen Terrorismus, durch die Israel
bedroht wird. Radikale Länder wie Syrien, Libyen und Iran fangen auf
unterschiedliche Weise an, sich darum zu bemühen, Washington gefällig zu
sein. Es gibt wenig bis gar keinen amerikanischen Druck auf Israel,
Konzessionen zu machen oder gar mit Syrien oder der PLO zu verhandeln.
Tatsächlich ist die gegenwärtige Situation ohne Beispiel, in der Syriens
Präsident Bashar Asad anbietet, die Verhandlungen ohne Vorbedingungen wieder
aufzunehmen und Washington nicht die Initiative ergreift, um zwischen
Damaskus und Jerusalem zu vermitteln.
Wenn nur die Neo-Konservativen in
Washington wüssten, wo in Israels Fall die Grenze zu ziehen ist! Indem sie
Sharon erlauben und ihn sogar ermuntern nicht mit Asad zu sprechen,
verkünden sie der arabischen Welt die Botschaft, dass weder sie noch Israel
an Frieden interessiert sind. Indem sie wegen des Zauns, der Außenposten und
Sharons Plan, die Siedlungen im Gazastreifen zu reduzieren und in der
West-Bank auszubauen, doppeldeutige und halbherzige Proteste nach Jerusalem
zu schicken, erlauben und ermutigen die Amerikaner Sharon, eine
Apartheid-Wirklichkeit zu schaffen, die gerade das Gegenteil der
Demokratisierung ist, die sie der Region predigen.
Angenommen, nur
um des
Arguments
willen,
Sharon würde Asads Initiative akzeptieren und Verhandlungen zustimmen. Die
Ergebnisse könnten kaum negativ sein. Wenn Syrien tatsächlich schwach und
verwirrt ist und verbesserter Beziehungen zu den US bedarf, dann könnte
Israel vielleicht einen territorialen Handel abschließen, der besser ist,
als jeder, der in der Vergangenheit angeboten wurde. Wenn nicht, dann zeigt
es wenigstens die Bereitschaft zu Friedensgesprächen mit einem Nachbarn. Was
den palästinensischen Bereich angeht, könnte Israel verlangen, dass der
erste Punkt auf seiner Tagesordnung mit Syrien, die Hisbollah-Aktivitäten
sind, nicht nur die im Südlibanon sondern auch solche, die den Terrorismus
in der West-Bank und im Gazastreifen schüren. Im selben Maße wie ein
israelisch-syrisches Abkommen möglich scheint, könnte Yassir Arafat ermutigt
werden, Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, die die
israelisch-palästinensichen Beziehungen stabilisieren würden und die den Weg
zu neuen Verhandlungen bereiten.
Selbst wenn die
israelisch-syrischen Gespräche ein weiteres Mal zum Scheitern verurteilt
sein sollten, haben wir nur wenig zu verlieren, wenn wir es versuchen.
Übersetzung: Caroline Heller
Veröffentlicht 16/2/2004©bitterlemons.org
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their viewpoints and initiatives on the region. Editors Ghassan Khatib and
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hagalil.com 23-02-2004 |