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Das Genfer Abkommen

Wird das Abkommen von Genf für beide Nationen die Erlösung sein?
Hoffnungsschimmer in der Dunkelheit

[ENGLISH]

Von Mohammad Daraghmeh

Das Genfer Dokument, das von inoffiziellen Vertretern Israels und Palästinas unterzeichnet wurde, schien für viele Bewohner der beiden Nationen so etwas wie das Flimmern eines kleinen Lichtes zu sein, in einer finsteren Realität, in der sie nun schon seit über drei Jahren leben. Zum ersten Mal seit den Gewaltausbrüchen im September 2000, schien sich eine mögliche Lösung am Horizont abzuzeichnen, die auch realistische Auswege aus einer Situation aufzeigen könnte, die immer mehr einem Vernichtungskrieg ähnelt. Der Realismus des Papiers baut auf der Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Umsetzbarkeit auf. Sie stützt sich auf die Verhandlungsergebnisse, die die Vertreter der beiden Seiten in den Verhandlungen im Vorfeld ausgelotet hatten. Die Verhandlungsführer selbst, die bei den Gesprächen im Vorfeld auch schon dabei waren, brauchten am Ende nur noch die offenen Punkte zu schließen, die die Runden davor noch übrig gelassen hatten.

„Unsere Delegation“, sagt Kadura Faris einer der Führer aus der jüngeren Generation der Fatah Bewegung, und eines der prominenten Mitglieder der Genfer Verhandlungsdelegation, „brachte Landkarten und Dokumente mit, die noch aus den letzten offiziellen Verhandlungen mit Ehud Barak in Camp David und Taba stammten.  Indem man einfach an den damaligen Stand der Verhandlungen anschloss, konnte man zu dem Dokument gelangen, das nun heute vorliegt“. Kadura beschreibt das Genfer Dokument als „das beste Ergebnis, das seit der Konferenz von Madrid 1991 von der palästinensischen Seite erreicht worden ist“, und meint damit vor allem die Anerkennung des Rechts der Palästinenser durch die Israelis auf einen unabhängigen Stadt auf dem Land, das 1967 besetzt worden ist, mit nur wenigen Grenzkorrekturen.

Das Genfer Dokument legt fest, dass die Siedlungen zu geschlossenen Gebieten zusammengefasst werden sollen, deren Fläche dann 2,6% der West Bank ausmacht. Im Gegenzug bekommen die Palästinenser dafür Gebiete im Gazastreifen und in der Umgebung von Hebron. Unterlagen von palästinensisch-israelischen Verhandlungen haben demgegenüber gezeigt, dass die Anteile an Land, den die Labour-Regierungen den Palästinensern in früheren Verhandlungen zugestanden hatten, niemals bei mehr als 91% der West Bank lagen. Und dabei ist es unerlässlich, zu wissen, dass der Konsens der verschiedenen nationalen und islamischen Fraktionen der Palästinenser gerade darauf beruht, dass ein unabhängiger palästinensischer Staat das Hauptinteresse des palästinensischen Volks darstellt.

Vor allem aber sendet das Dokument auch eine wichtige Botschaft an die israelische Straße, wo im Chaos der Konfrontationen und im Gebrüll der Rechtsgerichteten und Extremisten die eigentlichen Anliegen der Palästinenser immer untergegangen sind. „Die palästinensische Position in dem Genfer Dokument bietet nun eine Antwort auf die Behauptung von Israelis und Amerikanern, es gäbe gar keinen palästinensischen Partner für den Frieden“, sagt Dr. Kahlil Shiqaqi, einer der prominentesten palästinensischen Analysten und Sachverständigen. „Die Palästinenser zeigen nun der israelischen Straße, dass sie Partner sind, und nun liegt es an den friedlichen Kräften in Israel, um Zustimmung zu kämpfen, sich an die Spitze zu setzen und die Gelegenheit zu ergreifen, auf der Grundlage dieses Dokuments Frieden für beide Nationen zu erlangen,“ fügt Shiqaqi noch dazu.

Das Genfer Abkommen verhilft zu einen Ausgleich, der beiden Nationen die Chance bietet ihn auch akzeptieren zu können - auch wenn einige oder vielleicht sogar viele das eher wiederwillig tun werden. In diesem Dokument erreicht die palästinensische Seite ihr Ziel eines palästinensischen Staates auf dem Gebiet, das 1967 okkupiert worden ist - mit Jerusalem als dessen Hauptstadt. Und auch eine Lösung des Problems der Flüchtlinge sieht der Plan vor,  da diesen ein prinzipielles Recht auf Rückkehr zugestanden wird. Auch verhilft er ihm zu einer Lösung des Wasserproblems, und der bislang strittigen Frage der gemeinsamen Nutzung der Wasserleitungen. Darüber hinaus wurde auch noch eine Lösung des Problems mit den Gefangenen erreicht, indem 90% der Gefangenen im ersten Jahr freigelassen werden sollen und der Rest verteilt über eine Periode von 13 Monaten. Und schließlich regelt das Dokument auch noch einen sicheren Transitverkehr zwischen der West Bank und dem Gazastreifen.

Israel hingegen wird durch das Dokument die Chance gegeben die Angelegenheit der Siedlungen dadurch zu lösen, indem man diese nun in Ballungsräumen zusammengefasst. In Jerusalem soll es die Kontrolle über die Klagemauer und das jüdische Viertel behalten, und auch vom „Gespenst“ der Millionen palästinensischen Flüchtlinge erlöst werden, in dem der jüdische Staat immer noch eine Gefahr seiner Existenz sieht.

Viele Beobachter in Israel sehen in diesem Dokument den Ausgangspunkt einer akzeptablen Einigung, solange nur das günstige Klima dafür vorherrscht. „In der gegenwärtigen Situation wird dem Papier kaum Erfolg beschieden sein“, so Victor Nahmias, ein ehemaliger israelischer Diplomat, „doch wenn die einmal besser wird, das heißt, wenn die Kämpfe zu einem Ende kommen werden, wird es sich in der öffentlichen Meinung in Israel vielleicht einmal durchsetzen, als der Rahmen für eine Lösung, oder als eine Brücke, die uns beide zusammenführt“. Und er fügt hinzu: „Das Genfer Dokument ist eine Initiative der Hoffnung, doch das Klima der Gewalt, das nicht dazu führt, den Verstand und die Herzen zu öffnen, steht ihm entgegen.“

Die amtierende rechtsgerichtete Regierung treibt das Abkommen nun aber in zwei Hinsichten um. Die erste ist, dass sich Israels Premierminister Ariel Sharon und sein Stellvertreter Ehud Olmert sich eigentlich darauf beschränken wollen,  einen einseitigen Lösungsplan zu vorzulegen. Die zweite ist, dass die Regierung eher den Weg einer militärischen Eskalation verfolgt, der dazu führt, dass das Dokument als Hauptthema aus der öffentlichen Diskussion verdrängt wird. Dennoch sehen Beobachter in Israel im Genfer Dokument einen Moment der Wahrheit, der, wenn die Zeit gekommen ist, wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangen wird, sobald es nur zu einer spürbaren Zurücknahme der militärischen Gewalt kommt. Nahmias weiter: „Die Fortsetzung des Tötens verfinstert die Aussichten des Dokuments. Unter den Bedingungen von Mord, Töten und Gewalt, verschwinden Hoffnung und Optimismus, und die Diskussionen über Gewalt und die Möglichkeiten, ihr ein Ende zusetzen, haben Priorität. Doch wenn erst einmal beide Parteien die Grenzen ihrer Macht einsehen, werden sich die Schwerpunkte wieder verlagern und das Dokument wird wieder seine Rolle in der Suche nach einer Lösung und einem Ausgleich in dem Konflikt spielen können, neben anderen Friedensinitiativen wie die Nusseibeh-Ayalon-Initiative.“ Und er fügt noch schnell hinzu: „...früher oder später wird es so kommen. Israel wird die Grenzen seiner Macht einsehen. Seine übermächtige Armee wird die Palästinenser nicht besiegen, die auch ihrerseits zur Kenntnis nehmen müssen, dass Gewalt Israel nicht dazu bringen wird, seine Position zu ändern."

So viele „angenehme“ Übereinkünfte für beide Seiten das Genfer Dokument auch immer vorweisen kann, es beinhaltet doch auch „schmerzhafte Kompromisse“, die der Preis für eine jede Einigung zwischen beiden sind. Diese Zugeständnisse stellen immer noch Hindernisse für die beiden Nationen dar, sich in den hauptsächlichen Dingen einigen zu können. Auf palästinensischer Seite weigern sich vor allem die Vertreter der Rechte der Flüchtlinge das Papier zu akzeptieren.

Tayseer Nasrallah, Leiter des Komitees zur Verteidigung von Flüchtlingsrechten, mit Hauptsitz in Nablus dazu: „So wie wir den Text verstehen, verzichtet das Papier klar auf das Recht auf Rückkehr von fünf Millionen Flüchtlingen. Dies ist unakzeptabel für die Flüchtlinge wie auch für das ganze palästinensische Volk.“

Doch Dr. Khalil Shiqaqi sieht in dem Dokument nicht den Verzicht auf ein Rückkehrrecht. Allerdings gebe es da Zugeständnisse, was die Modalitäten der Rückkehr betrifft. „Im Prinzip betrachtet das Abkommen die UNO-Resolution 194 und die Arabische Initiative, die auf der Beiruter Gipfelkonferenz verabschiedet worden ist, als die Grundlage der Lösung. Und das beinhaltet nicht etwa einen Verzicht auf Rückkehr. Der Kompromiss besteht vielmehr darin, dass die Modalitäten der Rückkehr Israel das Recht gibt, über die Zahlen der zurückkehrenden Flüchtlinge zu entscheiden.“

Shiqaqi schickt, in Bezug auf das Ergebnis einer Studie, die vom Palästinensischen Zentrum für politische Forschung durchgeführt worden ist, der zu folge nur eine geringe Anzahl von Flüchtlingen auch wirklich nach Israel zurückkehren möchte, noch schnell hinterher: „Aber die wichtigere Frage ist doch: gibt es überhaupt so viele Flüchtlinge, die nach Israel zurückkehren wollen?“

Die palästinensische Haltung gegenüber dem Genfer Dokument hat eher pragmatische Gründe, mit denen man die Zugeständnisse in diesem kontroversen Teil der Abmachung rechtfertigt. „Lasst uns realistisch sein. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit für die fünf Millionen Flüchtlinge, nach Israel zurückzukehren. Und das ist das ‚Mach deine Stärke gegen sie bereit, was immer in deiner Kraft liegt, mitsamt den Schlachtrossen’ aus dem Heiligen Koran - aber ist das realistisch?“, fragt sich Kadura Faris, der als Parlamentarier und Minister hohe Glaubwürdigkeit in der palästinensischen Öffentlichkeit genießt.

Die Balance, die der Inhalt des Genfer Dokuments erreicht hat, bietet eine Basis für eine mögliche Lösung in der Zukunft. Wie Dr. Shiqaqi sagt: „Wenn es je eine Gelegenheit für eine politische Übereinkunft gibt, so wird es sich immer in dem Rahmen bewegen, den das Genfer Dokument eröffnet hat.“

Mohammad Daraghmeh ist ein palästinensischer Journalist und Autor.
Übersetzung aus dem Englischen: Friedbert Schmidt

hagalil.com 23-02-2004

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