Die Rettung der
Palästinenser:
Gewaltlosigkeit
Akram Baker and Gordon Woo
Die Fortsetzung des
gewalttätigen Status Quo im palästinensisch-israelischen Konflikt ist nicht
unumgänglich. Auch sind die Parteien nicht so entkräftet, dass sie gewillt
wären, jegliche "Lösung" zu akzeptieren. Trotzdem, was Diplomaten und
Gelehrte sagen mögen, wird fast nichts getan, um den Konflikt zu beenden.
Und im Gegensatz zur konventionellen Weisheit glauben wir, dass es in der
Macht der Palästinenser liegt, den Konflikt zu beenden.
Demokratie, oder die Behauptung von Demokratie, ist was heute in Washington
und den Hauptstädten Europas zählt. Ein Eckpfeiler der Demokratie ist das
Recht auf gewaltlosen öffentlichen Protest. So vehement wie Gewalt
verurteilt und als Terrorismus bestraft wird (selbst wenn es sich um
legitimen Widerstand handelt), so wird friedlicher Protest weithin als
legitimer Ausdruck von Demokratie anerkannt und akzeptiert. Der Gebrauch von
Militärgewalt zur Unterdrückung von gewaltlosem Protest wird weltweit als
Verletzung von Menschenrechten und demokratischen Prinzipien gemissbilligt,
nicht zuletzt in den USA. Gewaltlose Demonstranten niederzumähen ist eine
Schande für die Demokratie. Doch wenn Proteste gewalttätig werden,
entschuldigt das Recht auf Selbstverteidigung die schlimmsten Exzesse von
militärischer Unterdrückung.
Im Schachspiel beschreibt der Ausdruck "Zugzwang" eine Situation, in der
einem Spieler kein guter Zug übrigbleibt. Nachdem die Palästinenser seit
Jahren unter den kollektiven Bestrafungen der israelischen Besatzung zu
leiden haben, mögen sie sich in dieser hoffnungslosen Position gefangen
fühlen. Jeder Schritt in der Intifada wurde vom israelischen Militär
effektiv gekontert, was den Konflikt eskalieren ließ.
Wir behaupten, dass das politische Schachspiel herumgedreht werden könnte,
wenn die Palästinenser beginnen würden, das demokratische Spiel zu spielen.
Das politische Vakuum, das aus der Einstellung von Gewalt entstehen würde,
wäre von Natur aus instabil und würde mit demokratischem Protest gefüllt
werden müssen. Natürlich gibt es zahlreiche alternative Protestaktionen.
Eine erfolgreiche, gewaltlose Intifada erfordert strategisches Denken, genau
wie eine militärische Kampagne.
Es gibt eine schlüssige Strategie, die – würden die Palästinenser ihr folgen
– zum Endspiel eines gerechten Friedens, wie weithin in der "road map“
gesehen, führen und die Rechte des palästinensischen und israelischen Volkes
erfüllen würde. Diese Strategie ist völlig demokratisch, da sie darauf
basiert, eine gewaltlose Balance zwischen der israelischen und
palästinesischen öffentlichen Meinung zu finden. Sie ist das Gegenteil von
Aufgabe.
Der Israel-Palästina-Konflikt ist an einem Gleichgewichtspunkt der
Wie-du-mir-so-ich-dir-Gewalt steckengeblieben. So lange israelische
Zivilisten angegriffen werden, wird die israelische öffentliche Meinung eine
heftige militärische Antwort befürworten. Auf der anderen Seite wird die
palästinensische öffentliche Meinung eine Fortsetzung des bewaffneten
Kampfes befürworten, so lange die israelische Besetzung von
palästinensischem Territorium fortgeführt wird. Allerdings existiert ein
alternativer Gleichgewichtspunkt: die gegenseitige Gewaltlosigkeit, die
sowohl von der israelischen, als auch von der palästinensischen
Öffentlichkeit unterstützt werden kann. Der Weg, diesen politischen
Zufluchtsort zu erreichen, ist durch eine Reihe von sukzessiven Schritten,
die jeder einzeln sorgfältig geplant und konstruiert sind, um den Konsens
für Gewaltlosigkeit sowohl auf der israelischen, wie auch auf der
palästinensischen Seite zu maximieren.
Um das Prinzip zu illustrieren: Die israelische ffentliche Meinung würde das
Beschießen von bewaffneten Kämpfern und sogar steinewerfenden Jugendlichen
dulden, aber den Mord an Prostlern in Rollstühlen an einem Checkpoint
verabscheuen. Die weltweite, demokratische Rückwirkung auf jegliche
israelische militärische Überreaktion, vielleicht auf Video festgehalten,
würde Anstoß für weitere gewaltlose Schritte zum Frieden geben.
Die Implementation einer strategischen Kampagne von Gewaltlosigkeit
erfordert Organisation. Idealerweise könnte ein palästinensischer Führer
dies inspirieren. Aber selbst ohne die Präsenz einer solchen Führung macht
moderne Kommunikation die Organisation von massenkoordinierten Aktionen
einfacher als während vorhergehenden Kampagnen von Gewaltlosigkeit. Im Jahr
2000 wurde beispielsweise die Bezinsteuerpolitik der britischen Regierung
von einer führungslosen Gruppe Lastwagenfahrer umgekehrt, die nicht mit
Pistolen oder Bomben bewaffnet waren sondern mit schnurlosen Telefonen.
Die Palästinenser müssen erkennen, dass keine Regierung, weder eine
westliche noch die israelische, ihnen irgendwelche Gefallen tun wird.
Vergesst das Gerede und schaut an, was tatsächlich passiert. Israel hat
seine Gewalt über die besetzten Gebiete verfestigt und fühlt keinen
richtigen Druck, sie preiszugeben. Israelische Siedlungsaktivitäten sind mit
erschreckender Geschwindigekeit beschleunigt worden und könnten die
Zwei-Staaten-Lösung schnell in den Mülleimer der Geschichte verdammen. Das
gerühmte Quartett wurde bewegungsunfähig gemacht und neutralisiert
(hauptsächlich durch seinen eigenen Mangel an Entschlossenheit). Die
palästinensische Führung muss die Tatsache akzeptieren, dass bewaffneter
Widerstand (abgesehen von Selbstmordattentaten) zwar rechtlich sanktioniert
ist, aber dem palästinensischen Volk während der letzten drei Jahre nur
Elend gebracht hat und nichts getan hat, um ihrem Ziel der Unabhängigkeit
näher zu kommen.
Die USA und Europa müssen auch erkennen, dass nur "beenden der
palästinensischen Gewalt“ eine Sackgasse ist, da die israelische Besatzung
selbst eine noch härtere Form von Gewalt ist und die Natur verabscheut
jegliche Art von Vakuum. Allerdings sind es die Palästinenser, die die
Fähigkeit haben, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und uns alle
aus der Wildnis zu führen.
In der Welt nach dem 11. September 2001 stoßen die Stimmen der Gewalt bei
den demokratischen Regierungen auf taube Ohren (und bequemerweise wird jede
Form der nicht von Staaten gesponsorten Gewalt als "Terrorismus“
gebrandmarkt). Aber die Regierungen sind verpflichtet auf öffentlichen
Protest der Massen zu hören. Dies ist, wo die palästinensische Stärke liegt;
nicht in ihren unterlegenen militärischen Mitteln, sondern in ihren
überlegenen demokratischen Mitteln – den palästinensischen Menschen selbst.
Übersetzung: Maike
Ziesemer
Akram Baker ist Vorsitzender von 'Brandicate Consultants'
und Vizepräsident des 'Arab Western Summit of Skills'. Er schreibt
regelmässig Kommentare zu Nahost-Themen. Gordon Woo ist ein
Strategie-Risiko-Analyst. Seit dem 11. September hat er sich auf
politische Risiko-Bewertung konzentriert, speziell auf Terror-Themen. Die
beiden haben diesen Kommentar für den Daily Star vom 12. Augist 2004
verfasst,
http://www.dailystar.com.lb
English
The Common Ground News Service (CGNews) provides news,
op-eds, features, and analysis by local and international experts on a broad
range of Middle East issues. CGNews syndicates articles that are accurate,
balanced, and solution-oriented to news outlets throughout the Middle East
and worldwide. With support of the European Union, the Arca Foundation, the
Dutch Foreign Ministry, the Finnish Foreign Ministry, and the Danish Foreign
Ministry, the service is a non-profit initiative of Search for Common
Ground, an international NGO working in the fields of conflict resolution
and media production. The views expressed in these articles are those of the
authors, not of CGNews or its affiliates. |