Jüdisches Leben in EuropaMit der Hilfe des Himmels

Promises - endlich auf Video!


 

Die Trennungsmauer bei Abu Dis:
Die Mauer der Verletzten

In English - - The Separation Wall in Abu Dis:
The Walls of Hurt

M.J. Rosenberg reflects on his recent visit to Israel and recounts his impressions while visiting the separation wall in the Jerusalem neighbourhood of Abu Dis...

[HEBREW]

M.J. Rosenberg

Dutzende Male habe ich Israel schon besucht, doch die Studienreise mit dem Israel Policy Forum in diesem Monat, mit einer Gruppe von Aktivisten aus Seattle, erwies sich für mich als bestürzender, als alles Bisherige in der Vergangenheit.

Vor allem ist das Land immer noch praktisch leergefegt von allen Touristen. Ich besuchte Orte, die normalerweise voll von amerikanischen Touristen sind, und dennoch hörte ich kein Englisch um mich herum, nur Hebräisch und Arabisch.

Mit dem Ausbleiben der Touristen haben die Israelis einen richtigen Persönlichkeitswandel durchlaufen: Noch nie waren sie so freundlich zu Fremden, wie sie es jetzt zu den paar sind, die noch kommen. Früher haben sich manche Ladenbetreiber immer benommen, als würden sie einem einen Gefallen tun. Doch mittlerweile sprühen sie förmlich vor Zuvorkommendheit und Hilfsbereitschaft, ganz gleich, ob du etwas kaufst oder nicht. Auf der Jaffa Straßen, streiten sich Israelis und Araber schon darum, einem verirrten Amerikaner den Weg zu weisen.

Ein Unterton von Traurigkeit hat sich breitgemacht, vor allen im einst so stolzen Jerusalem, der „einen, ungeteilten Stadt“. Eines Morgens ging ich in Ostjerusalem spazieren, doch außer zwei Soldaten sah ich keinen einzigen Israeli mehr. Und als ich Israelis von meinem Spaziergang am anderen Ende der Stadt erzählte, haben sie mich angesehen, als wäre ich verrückt geworden. „Warum gehst du da auch hin?“, fragten sie.

Die Mauern sind zurück, zumindest die psychischen, und die sind oft genauso undurchdringlich, wie die echte Mauer, die gerade am Rand der Stadt hochgezogen wird. Für mich ist das besonders bitter. 1968 hatte ich als Mitglied einer jüdischen Studentengruppe in der Salah al-Din Straße einige Monate mitten im Herzen von Jerusalem verbracht, - heute aber wäre das unvorstellbar, dass die Israelis dort jüdische Studenten beherbergen würden.

In Tel Aviv, einer trotz allem immer noch pulsierenden Stadt, trifft man überall auf junge Soldaten. Die, die ich sah, haben nicht einmal etwas beschützt; sie bekamen nur an historischen Stätten Lektionen in zionistischer Geschichte - als Teil ihrer Grundausbildung. Sie sehen alle wie 18-jährige amerikanische high school-kids aus. Es ist schmerzhaft ihnen beim Blödsinntreiben und Flirten zuzusehen, zu sehen wie sie zum Hip-hop aus dem Radio singen, und sich dabei vorstellen zu müssen, dass viele von ihnen in ein paar Monaten Bestandteil von Kampfeinheiten sein werden.

Und trotz allem, was wir über den wachsenden Widerstand gegenüber dem Armeedienst gehört haben, gehen doch nahezu alle israelischen Teenager in die Armee. Ich habe unseren 17jährigen Cousin, ein hochgewachsnes, stattliches Kind von Orthodoxen, gefragt, ob er nicht nervös deswegen sei. Er zuckte nur mit den Achseln und sagte: „Ich werde tun, was ich tun muss“. Er hoffe nicht, sagte er noch, dass er an einem der Checkpoints in der Westbank oder im Gazastreichen Dienst tun müsse. Doch wenn er müsse, dann müsse er eben.

Unsere Verwandten, die nach dem Holocaust nach Israel gekommen sind, mussten sich bis jetzt noch keine Gedanken darüber machen, dass sie einmal einen Sohn in der Armee haben würden. Die erste Generation, die in Israel geboren ist, bestand nur aus drei Töchtern. Doch in der zweiten gibt es bereits eine Reihe von Jungs und ihre Großeltern sehen mit Unbehagen dem Tag entgegen, an dem diese ihre Uniformen werden anziehen müssen.

Die Mutter des einen erzählte mir, dass sie bei seiner Geburt noch sicher gewesen sei, dass die Kriege alle vorbei sein würden, wenn er einmal 18 sein würde. „Und nach dem Oslo-Abkommen habe ich sogar gedacht, dass er überhaupt nicht in die Armee gehen müsste. Mittlerweile aber glaube ich, dass sogar meine Enkel den Frieden nicht erleben werden.“ Und sie fragte mich, warum denn die USA nicht mehr zu helfen versuchten.

Auf palästinensischer Seite ist die Lage nicht weniger deprimierend. Unsere Gruppe besuchte die Trennungsmauer, die Israel gerade baut, um sich vor den Selbstmordattentätern  zu schützen. Seit dem Jahr 2000 konnten diese schon 900 Israelis ums Leben bringen. Der Abschnitt in unmittelbarer Umgebung von Abu Dis, direkt an der Stadtgrenze zu Jerusalem, ist ein stabiler neun Meter hoher Betonwall.

Ein Teil davon ist nicht aus harten Beton, sondern nur ein Provisorium, das freigelassen worden ist, damit die palästinensischen Arbeiter noch auf die anderen Seite nach Hause gelangen können. Sie kriechen und klettern durch und über die Mauer. Das war nicht leicht, doch eine ganze Gruppe tat es.

Ich ging hin, um mir das anzusehen und ein französisches Kamerateam fragte mich nach meinen Eindrücken. Ich sagte ihnen, dass ich verstünde, warum die Israelis eine Mauer bräuchten und dass sie, wenn sie sich an den Grenzverläufen von '67 entlang führen würde, nicht nur einen Betrag zu Israels Sicherheit leisten könnte, sondern auch die Spannungen entschärfen würde. Aber ich fügte hinzu, dass zutiefst bedrückt davon sei, zu sehen, wie durch sie Nachbarn voneinander getrennt würden. Ich sagte auch, dass mir die Palästinenser leid täten, die sich mit einmal mal von ihren Jobs, ihren Märkten und ihren Schulen abgeschnitten  sehen. „Unschuldige Menschen leiden.“. Dann ging ich zurück zu unserem Bus.

Nichts, was ich sagte, war irgendwie besonders außergewöhnlich, fand ich. Aber ein junger Palästinenser hatten einen anderen Eindruck davon bekommen. Er hatte zugehört, was ich zu den Journalisten gesagt hatte. Daraufhin nahm er sich ein Herz und bestieg unseren Bus.

Er bat darum, zur Gruppe sprechen zu dürfen und borgte sich das Mikrophon von unserem israelischen Führer. Er sagte zu uns, dass er bis zu dem Moment, als er das hörte, was ich zu den französischen Journalisten sagte, gedacht hatte, dass alle amerikanischen Juden die Palästinenser hassen würden und er hatte ihnen gegenüber auch nicht die geringsten mitmenschlichen Gefühle. Er hasste alle Juden.

Aber als er hörte, wie ein Jude Mitgefühl mit der Not der Palästinenser hatte, habe er seine Meinung geändert. Er würde nie wieder „alle Juden“ hassen, noch glaubt er weiterhin, dass alle Juden die Palästinenser hassen würden.

Er bedankte sich bei mir dafür, dass sich durch mich seine Einstellung geändert hatte und sagte, dass er das „niemals vergessen werde.“ Dann verließ er den Bus und uns, bestürzt und einige den Tränen nahe.

Ich blieb auch verwirrt zurück. Ich weder irgendetwas ungewöhnliches gesagt noch getan, und dennoch sagte dieser junge Mann, dass er „für immer verwandelt“ sei durch meine Worte. Dabei habe doch nichts weiter getan, als mein Mitgefühl auszusprechen.

Offensichtlich ist es für Palästinenser etwas so Ungewohntes, dass sich ein Jude mitfühlend mit ihnen zeigt (oder auch sonst irgendjemand?), dass schon ein paar Worte der Sympathie ihr ganzes Leben verändern können.

Irgendetwas läuft schrecklich schief. Junge Israelis, wie unser Cousin, bewachen Checkpoints um ihr Land vor Palästinensern, die so viel Schmerz und Wut mit sich herumtragen, dass manche wirklich eine Bedrohung für Israelis werden. Aber Palästinenser sehen Israelis ja auch nur als welche, die eine Mauer bauen, um sie draußen zu halten und sie an manchen Stellen sogar in einen Käfig zu sperren.

Kann denn jemand im Ernst glauben, dass allein Mauern schützen könnten vor brennendem Hass und vor glühendem Schmerz, der wächst bis er explodiert? Und ich spreche hier nicht nur von Palästinensern. Auch Israelis leiden sehr.

1967, als Israel Jerusalem wiedervereinigte (Ost-Jerusalem wurde von den Jordaniern regiert), ordnete Israels Verteidigungsminister Moshe Dayan an, dass alle Mauern niedergerissen werden sollten, die die Stadt teilten. Man sagte ihm, das sei unmöglich, es würde Monate dauern bis die zwei Völker - seit 19 Jahren geteilt durch Mauern aus Beton und Hass - in Sicherheit zusammengebracht werden könnten.

Dayan befahl es trotzdem und aus zwei Städten wurde ein - und eine der schönsten Städte der Welt noch dazu.

37 Jahre später sind die Mauern zurückgekehrt.

hagalil.com 23-02-2004

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