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Meinung, Kritik & Diskussion

Apartheid / Besatzung?
All the same?

Aus einem Artikel von Uri Avnery: Die Friedensfahrt bzw. Ein Eskimo in Bantustan

...WENN wir den Terminus „Apartheid“ benützen, um eine Situation in den besetzten Gebieten zu beschreiben, müssen wir uns der Tatsache bewusst sein, dass die Ähnlichkeit zwischen der israelischen Besatzung und dem Regime der Weißen nur Methoden betrifft, nicht die Substanz. Dies muss ganz klar gemacht werden, um große Irrtümer in der Analyse der Situation und den daraus resultierenden Schlüssen zu verhindern.

Es ist immer riskant, Vergleiche mit anderen Ländern und Zeiten zu ziehen. Keine zwei Länder und keine zwei Situationen sind genau gleich. Jeder Konflikt hat seine besonderen historischen Wurzeln. Selbst wenn die Symptome gleich sind, kann es eine vollkommen andere Krankheit sein.

Diese Vorbehalte gelten besonders bei dem Vergleich zwischen dem israelisch-palästinensischen Konflikt und dem historischen Konflikt zwischen den Weißen und den Schwarzen in Südafrika. Es genügt, auf ein paar grundlegende Unterschiede hinzuweisen:
  1. In Südafrika war es ein Konflikt zwischen Schwarzen und Weißen, die beide darin übereinstimmten, dass der Staat selbst intakt bleiben solle. Es gab nur die Frage, wer ihn regieren solle. Fast keiner schlug eine Teilung des Landes zwischen Schwarzen und Weißen vor.
  2. Unser Konflikt ist einer zwischen zwei verschiedenen Nationen mit verschiedenen nationalen Identitäten. Für beide ist es von höchstem Wert, einen eigenen Staat zu haben.
  3. In Südafrika war die Idee der „Trennung“ ein Instrument der weißen Minderheit, um die schwarze Mehrheit zu unterdrücken. Die schwarze Bevölkerung wies dies einmütig zurück. Hier aber will die große Mehrheit der Palästinenser von Israel getrennt werden, um einen eigenen Staat zu gründen. Die große Mehrheit der Israelis will auch von den Palästinensern getrennt werden. Trennung ist also das Bestreben der Mehrheit auf beiden Seiten. Die Frage ist nur: wo soll die Grenze zwischen beiden verlaufen? Nur die Siedler und ihre Verbündeten verlangen, dass das ganze historische Gebiet vereinigt bleibt, und sind gegen die Trennung, um den Palästinensern weiter Land rauben und ihre Siedlungen vergrößern zu können. Auf der palästinensischen Seite sind es die islamischen Fundamentalisten, die glauben, das ganze Land sei ein WAQF (ein religiöses Treuhandgut), und gehöre Allah und dürfe deshalb nicht geteilt werden.
  4. In Südafrika herrschte eine weiße Minderheit (etwa 10%) über eine große Mehrheit von Schwarzen (78 %), Menschen gemischter Herkunft (7 %) und Asiaten (3 %). Hier zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan leben 5,5 Millionen jüdische Israelis und etwa die gleiche Zahl palästinensischer Araber (einschließlich der 1,4 Millionen Palästinenser, die Bürger Israels sind).
  5. Die südafrikanische Wirtschaft gründete sich auf die Arbeit der Schwarzen und hätte gar nicht ohne sie existieren können. Hier ist es der israelischen Regierung gelungen, alle Palästinenser vollständig aus dem israelischen Arbeitsmarkt zu verdrängen und sie durch Fremdarbeiter zu ersetzen.
ES IST bedeutsam, auf diese grundlegenden Unterschiede hinzuweisen, um ernste Fehler beim Kampf gegen die Besatzung zu vermeiden.

In Israel und im Ausland gibt es Leute, die diese Analogie nennen, ohne entsprechende Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Konflikten zu lenken. Ihre Schlussfolgerung: die Methoden, die gegen Südafrika erfolgreich waren, könnten auch im Kampf gegen die Besatzung erfolgreich sein – die Mobilisierung der öffentlichen Weltmeinung, einen internationalen Boykott und Isolierung.

Das erinnert an einen klassischen Irrtum, der gerne in Logikkursen gelehrt wird: ein Innuit (Eskimo) kennt Eis, das durchsichtig ist. Eis kann gekaut werden. Als er zum ersten Mal ein Glas Wasser bekommt, das auch durchsichtig ist, denkt er, er könne es kauen.

Zweifellos ist es wesentlich, die internationale öffentliche Meinung dazu zu bringen, etwas gegen die kriminelle Behandlung des palästinensischen Volkes durch die Besatzung zu tun. Wir tun es täglich – und so jetzt auch Jimmy Carter. Jedoch muss klar sein, dass dies unendlich viel schwieriger ist als der Feldzug, der das südafrikanische Regime überwand. Einer der Gründe: während des 2. Weltkrieges versuchten die späteren Herrscher Südafrikas die Anstrengungen gegen die Nazis zu sabotieren, und waren deshalb damals im Gefängnis. Sie waren weltweit verhasst und geächtet. Israel wird von der Welt als der „Staat der Holocaustüberlebenden“ angesehen und deshalb mit überwältigender Sympathie betrachtet.

Es ist ein schwerer Irrtum zu denken, dass die internationale öffentliche Meinung der Besatzung ein Ende setzen kann. Dies wird nur eintreten, wenn die israelische Öffentlichkeit selbst davon überzeugt ist.

Dann gibt es noch einen anderen bedeutsamen Unterschied zwischen den beiden Konflikten, und dieser ist vielleicht der bedenklichere: in Südafrika würde kein Weißer von einer ethnischen Säuberung geträumt haben. Selbst die Rassisten verstanden, dass das Land nicht ohne die schwarze Bevölkerung existieren kann. In Israel wird dieses Ziel aber erwogen. Einer der Hauptbefürworter, Avigdor Lieberman, ist ein Mitglied der Regierung und letzte Woche instruierte Präsident Bush Condoleezza Rice, ihn auch offiziell zu treffen. Die Gefahr der Apartheid ist nicht das Schlimmste, das über den Köpfen der Palästinenser wie ein Damoklesschwert hängt. Sie sind von Schlimmerem bedroht, dem Transfer, der Vertreibung.

EINIGE LEUTE in Israel und in der Welt bringt die Apartheid-Analogie zu der logischen Schlussfolgerung: die Lösung hier wird dieselbe sein wie in Südafrika. Dort haben die Weißen nachgegeben, und die schwarze Mehrheit kam zur Macht. Das Land blieb vereinigt. Dank seiner weisen Führer, wie Nelson Mandela und Frederick Willem de Klerk, geschah dies ohne Blutvergießen.

In Israel ist das ein schöner Traum für das Ende der Zeiten. Weil die darin verwickelten Menschen mit ihren Ängsten dies zwangsläufig zu einem Alptraum werden lassen. In diesem Land gibt es zwei Völker mit sehr starkem nationalem Bewusstsein. Nach 125 Jahren Konflikt gibt es nicht die geringste Chance, dass sie zusammen in einem Staat leben, die gleiche Regierung teilen, in der gleichen Armee dienen und die gleichen Steuern zahlen würden. Wirtschaftlich, technologisch und bildungsmäßig ist die Kluft zwischen den beiden Bevölkerungen immens. In solch einer Situation würde es tatsächlich zu Machtverhältnissen wie denen in Südafrikas Apartheidregime kommen.

In Israel lauert der demographische Dämon. Es besteht unter Juden eine existenzielle Angst, dass das demographische Gleichgewicht selbst innerhalb der Grünen Linie sich ändere. Jeden Morgen werden gewissermaßen die Babys gezählt – wie viele jüdische Babys wurden während der Nacht geboren und wie viele arabische. In einem gemeinsamen Staat würde die Diskriminierung sich verhundertfachen. Der Hang zum Enteignen und Vertreiben würde keine Grenzen kennen, die zügellose jüdische Siedlungsaktivität würde blühen, zusammen mit der Bemühung, die Araber mit allen nur möglichen Mitteln zu benachteiligen. Kurz gesagt: die Hölle.

MAN KANN hoffen, dass diese Situation sich in 50 Jahren verändern wird. Ich zweifle nicht daran, dass es am Ende eine Föderation zwischen den beiden Staaten geben wird, vielleicht einschließlich Jordaniens. Yasser Arafat hat mehrere Male mit mir darüber gesprochen. Doch weder die Palästinenser noch die Israelis können sich weitere 50 Jahre Blutvergießen, Besatzung und schleichende Vertreibung leisten.

Das Ende der Besatzung wird im Rahmen eines Friedensabkommens zwischen beiden Völkern kommen, die in zwei freien benachbarten Ländern leben werden - Israel und Palästina – mit der Grenze zwischen ihnen, die etwa der Grünen Linie entspricht. Ich hoffe, dass dies eine offene Grenze sein wird...

Siehe auch:
"Zwei Staaten" oder "Ein Staat"

hagalil.com 22-07-2007

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