Hoffnungslose Optimisten [HEBRAEISCH]
Von M.J.
Rosenberg, Washington, DC
Der Autor ist Direktor der Abteilung
für politische Analyse am Washingtoner IPF (Israel
Policy Forum) und Autor einer wöchentlichen Kolumne
Kürzlich sagte mir jemand, ich sei viel zu
optimistisch, was den Mittleren Osten angehe. "Wie können Sie nur so
optimistisch sein?" - "Ganz egal, wie schlimm die Dinge liegen, Sie
schreiben, dass sie besser werden, wenn nur die Vereinigten Staaten beide
Parteien dazu drängen, sich an ihre Vereinbarungen halten." - "Warum können
Sie nicht einfach zugeben, dass es hoffnungslos ist?"
Diese Kritiker haben nicht ganz Unrecht. Ich habe mir
meine letzten dutzend Freitagskolumnen (IPF Fridays) noch einmal
durchgelesen um zu schauen, ob die Kritik zutrifft. In gewissem Sinne tut
sie das, denn praktisch enden alle diese Kolumnen mit einer Art Aufruf, die
Verhandlungen wieder aufzunehmen und die Gewaltspirale zu durchbrechen. Das
würde ich allerdings nicht als Optimismus bezeichnen.
Ein Optimismus, im Sinne der rosaroten Brille, nimmt an,
dass schließlich alles gut wird. Das glaube ich ganz und gar nicht. Im
Gegenteil. Ich glaube: Solange die Vereinigten Staaten es nicht ernst meinen
im israelisch-palästinensichen Konflikt - und damit, dass beide Seiten sich
an ihre Vereinbarungen halten müssen, ob nun in der Road Map oder einem
vergleichbaren Plan - solange sieht die Zukunft sowohl der Israelis als auch
der Palästinenser äußerst düster aus.
Das ist alles andere als Optimismus. Es ist Realismus.
Immerhin wäre die andere Option - nämlich die Fortdauer des Status Quo im
Glauben daran, dass alles schon werden wird - verheerend.
Für Israel würde das bedeuten: den Verlust eines Staates mit jüdischer
Mehrheit, 18jährige, die für immer zwischen Jenin und Nablus patrouillieren,
eine kollabierte Wirtschaft und entweder Terrorismus wie die Hölle von Haifa
oder Mega-Terrorismus mit Massenvernichtungswaffen.
Für die Palästinenser hieße die Fortsetzung des Status Quo: fortwährende
Besetzung, ein Leben, regiert von der Präsenz israelischer Truppen und
Grenzkontrollen, Herrschaft von Terroristen und religiösen Extremisten und
ein Armutsniveau wie das der Dritten Welt.
Diejenigen, die den Status Quo unterstützen, seien sie
"pro-Israel" oder "pro-palästinensisch", setzen im Grunde ihr Siegel unter
den Ruin des jeweiligen Volkes.
Unter dem Strich bin ich weder optimistisch noch
pessimistisch per se. Meine Hoffnung auf eine bessere Zukunft geht aus von
signifikanten Änderungen palästinensischer, israelischer und
US-amerikanischer Politik und Handlungen.
Die "Optimisten mit der rosa Brille" sind diejenigen, die
glauben, Politik und Aktionen, die in der Vergangenheit mehrfach gescheitert
sind, könnten jetzt doch irgendwie zum Erfolg führen.
Einige Beispiele:
- - Yossi Klein Halevi, Redakteur der "New Republic" und
einer der talentierteren israelischen Journalisten und Autoren schrieb
letzte Woche in der Online-Ausgabe, dass "die Kombination von
militärischem Druck und Schutzzaun weiterhin die palästinensische
Entschlossenheit schwächen" könne. Er argumentierte, "das Warten
auf den palästinensischen Zusammenbruch bleibt eine realistische
Strategie".
- - die erfahrene Journalistin Evelyn Gordon schrieb in
der "Jerusalem Post", Israel habe "den Krieg nicht so intensiv
vorangetrieben, wie man gekonnt hätte... Weit davon entfernt, einen
Fehlschlag zu beweisen, hat die militärische Lösung im letzten Jahr ihre
Wirksamkeit gezeigt. Was wir jetzt dringend brauchen, ist eine
Regierung, die sich endlich dazu entschließt grünes Licht zu geben,
damit die Armee die Arbeit ein für alle Mal erledigen kann".
- - Michael Freund, ständiger Kolumnist der "Jerusalem
Post" schrieb neulich, der Schlag Israels gegen das Terroristen-Camp in
Syrien "zeigte, dass Israel nicht den Willen aufgegeben hat, zu
leben... wenn sich so eine neue Strategie Israels gegen den Terror
ankündigt, eine, die sich breitere und stärkere Maßnahmen zu eigen
macht, die schließlich mündet in die Ausschaltung der PA selbst, dann
wird sie sich herausstellen als der Wendepunkt, den wir alle erhofft und
erbeten haben."
Also - so etwas nenne ich Optimismus - in einem gewissen
Sinne jedenfalls.
Aber es ist eine Form von Optimismus mit einer ganz
fatalistischen Ader. Diese Ader ist die unterschwellige Überzeugung,
Palästinenser und Israelis seien bestimmt zu ewiger Feindschaft. Für diese
Kritiker sind alle Palästinenser gleich, und nichts, das ein Palästinenser
je tat, zeigt auch nur eine Spur von Willen, mit den Juden in Frieden zu
leben.
Die israelisch-palästinensiche Sicherheits-Kooperation,
welche die israelischen Terror-Opfer auf weniger als ein dutzend reduzierte
während der letzten drei
Oslo-Jahre - verglichen mit den 893 in den folgenden drei Jahren -
imponiert diesen Leuten nicht. Sie verweigern ganz einfach, das zur Kenntnis
zu nehmen.
Frieden und Fortschritt der letzten drei Oslo-Jahre sind bedeutungslos.
Alles was zählt, ist der Hass, den sie sowohl als unvermeidlich als auch als
dauerhaft begreifen.
Versuchen Sie sich doch bitte einmal daran zu erinnern,
wie oft man Ihnen Hasspamphlete und anti-israelische Passagen aus
palästinensischen Schulbüchern vorgelegt hat. Bitte vergleichen Sie dies
nun: Wie oft wurden Sie hingewiesen auf die Sicherheit, die herrschte vom
Herbst 1997 bis zum Herbst 2000?
Anbetracht dieser Diskrepanz frage ich: Wie kann es sein,
dass anti-israelische Reden, die ausgehen von einem Lesebuch oder
irgendeiner Moschee, mehr Gewicht eingeräumt wird, als hunderten geretteter
israelischer Leben, gerettet durch die US-vermittelte
israelisch-palästinensische Sicherheits-Kooperation?
Dies ist der Dienst, den uns jene erweisen, die jeden Schnipsel
palästinensischer Feindseligkeit sammeln, dokumentieren und vervielfältigen
um es der Öffentlichkeit als Beweismaterial vorzulegen, während sie alle
Beweise ignorieren, die das Gegenteil bezeugen.
Dieser Zugang führt direkt zur Verfestigung der
ablehnenden arabischen Haltung, ein zionistischer Staat im Orient sei
schlichtweg nicht zu schlucken. Hätten Herzl, Ben Gurion oder Weizman diesen
Glauben geteilt, wäre der zionistische Traum nie Wirklichkeit geworden.
Warum sich sorgen, wenn der Jüdische Staat doch nie von seinen Nachbarn
akzeptiert werden wird und sowieso niemals in Sicherheit wird leben können?
Ironischerweise ist es gerade die Rechte, die
neo-rejectionistische
Sichtweise, die den entsetzlichen Gedanken etabliert, Israel könnte auf
lange Sicht nicht überleben. In einer Welt, in der Massenvernichtungswaffen
leicht geteilt werden, kann ein Jüdischer Staat, verschmäht von all seinen
Nachbarn - inklusive einiger Millionen, die innerhalb des Staates Israel
leben - niemals blühen.
Glücklicherweise haben die
neo-Rejektionisten
Unrecht. Seit der Friedensprozess mit Anwar Sadats Besuch in Jerusalem
begann, ist die Akzeptanz Israels in der ganzen Arabischen Welt dramatisch
gewachsen. Jordanien und Ägypten leben in Frieden mit Israel,
und sogar Syrien hat sich auf Zehenspitzen an Verhandlungen zu einem
Friedensvertrag mit seinem eingeschworenen Feind genähert. Was die
Palästinenser angeht, haben die meisten sich zur Akzeptanz des Gedankens
durchgerungen, ein zukünftiger palästinensischer Staat werde Israel nicht
beeinträchtigen.
Diejenigen, die darauf
bestehen, dass die Araber Israelis hassen und immer hassen werden, zeigen
lediglich, dass einige Leute kein "ja" als Antwort wollen.
Natürlich werden wir kein
abschließendes "ja" erreichen, solange die Führungen beider Seiten - mit den
Vereinigten Staaten die als glaubwürdigem Vermittler - nicht damit anfangen,
Strategien zu verwirklichen, um dorthin zu kommen.
Als Franklin Delano Roosevelt,
inmitten der Tiefe der Großen Depression sein Amt aufnahm, sagte er, er sei
sich nicht sicher, welche Taktik er nutzen werde, um Amerika auf den Weg der
Besserung zu bringen. Aber dann erklärte er: "Das Wichtigste ist es, eine
Methode zu nehmen und auszuprobieren. Wenn sie versagt, werde ich das offen
zugeben und eine andere versuchen." Er verstand, dass es zwecklos ist - um
es milde auszudrücken, eine verfehlte Politik zu wiederholen.
Bei seiner Rede am 9. Mai in
Columbia, South Carolina sagte Präsident Busch: "Der Weg voran im Mittleren
Osten ist kein Mysterium, er ist eine Frage des Willens, der Vision und des
Handelns." Das war damals richtig. Und es ist heute noch richtiger.
Wir haben von der Vision des
Präsidenten gehört: in seiner Rede vom 24. Juni 2002. Wir haben seinen
Handlungsplan gesehen: die Road Map. Aber wir haben den Willen des
Präsidenten noch nicht erfahren, und viel Handlung auch nicht. Ohne dies
wird sich nichts ändern.
Und das ist ganz sicher kein Optimismus.
hagalil.com
29-10-2003 |