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Mahatma Gandhis Enkel in Palästina:
Zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit

Amira Hass

Mahatma Gandhis Enkel besucht in dieser Woche auf Einladung der Palästinenser das Land. Sie wollen die Idee des Volkskampfes gegen die israelische Besatzung vorantreiben.

Gandhi soll zu den Palästinensern über den gewaltfreien Kampf reden - aber das ist eine Diskussion, die wir Israelis auch führen sollten. Als Besatzer. Die ursprüngliche Gewalt, die anhaltende Gewalt ist die Gewalt der Seite, die durch ihre militärische Überlegenheit über ein anderes Volk herrscht. Nimmt die israelische Gesellschaft noch den allgemeinen palästinensischen Widerstandskampf wahr? Und kann sie die notwendige innere Revolution vollziehen, um sich wirklich von den kolonialistischen Merkmalen des Staates Israel zu trennen?

Auch ohne Panzer- und Hubschrauberbeschuss ist die israelische Präsenz in der Westbank und im Gazastreifen gewalttätig und ist es seit 1967 gewesen, einschließlich der Jahre 1994 – 2000, als die meisten Israelis glauben mochten, wir hätten die ( besetzten) Gebiete verlassen. Gewalttätig sind die Befehle, die palästinensisches Land für „öffentliche Zwecke“ d.h. nur für Juden enteignen; gewalttätig ist die Art und Weise, wie Israel das Wasser zuteilt : so viel Wasser wie sie wollen für die Siedlungen neben den Dörfern, die nicht mal an die Wasserleitung angeschlossen sind; gewalttätig sind die Besatzungsanwälte, die „Staatsland“ als Land definieren, das Palästinenser nicht entwickeln dürfen und zivile Verwaltungsinspektoren, die jeden neuen Weinstock und Olivenbaum dort entdecken. Gewalttätig ist der Shin Bet-Offizier, der jemandem, der dringend eine Reiseerlaubnis benötigt, freundlich mitteilt, „Hilf uns und wir werden dir helfen!“ und der dann diese Person mit einer Aufgabe versieht. Gewalttätig sind die Planer, die Grenzen rund um die palästinensischen Städte ziehen und sie mit Siedlungen und Sicherheitsstraßen umgeben. Gewalttätig ist das bürokratische System, das Warteschlangen von Menschen schafft, die stunden- oder tagelang auf einen zivilen Verwaltungsangestellten warten müssen; gewalttätig ist das israelische Verbot, das in der Westbank oder im Gazastreifen Geborene daran hindert, zu ihren Häusern zurückzukehren, wenn sie zufällig 1967 gerade außerhalb des Landes waren; gewalttätig ist das Konzept, dass das „Göttliche Versprechen“ eine Lizenz ist, um ein Diskriminierungsregime, das auf Ethnizität beruht, zu errichten.

Die Palästinenser, die in ihrer Gesellschaft versuchen, der Wirksamkeit des unbewaffneten Volkskampfes Anerkennung zu verschaffen, gehören öffentlich und eindeutig zur „Zweistaatenlösungs“-Schule. Dies sind meist Veteranen, entschiedene Fatahaktivisten und auch Mitglieder oder Freunde der Volkspartei, der früheren kommunistischen Partei, die die Zweistaatenlösung lange vor der PLO vertreten hatte. Ihre Aufgabe ist es nun, ihre Anhänger davon zu überzeugen, dass ein allgemeiner Kampf viel effektiver sei als ein bewaffneter Kampf.

Sie stehen zwei Haupthindernissen gegenüber. Das erste ist ein israelisches Talent, alles mit „sicherheitsbezogen“ oder „militärischer Notwendigkeit“ zu entschuldigen, das wiederum mit der Gehirnwäsche zusammenhängt, dass die Palästinenser uns nur zerstören wollen und dass der augenblickliche Konflikt nichts mit der israelischen Besatzung zu tun hat.

Nehmen wir mal an, dass als Teil eines gewaltfreien allgemeinen Kampfes die Palästinenser sich entschließen, eines Tages 50 000 Leute hinauszuschicken, um Olivenbäume in einem Gebiet zu pflanzen, das in der Nähe ihrer Dörfer als Staatsland definiert wurde. Würde die IDF eine Ausgangssperre oder eine Absperrung der Dörfer und Straßen dieser Gegend verhängen, so dass bewaffnete Männer sich zwischen die Pflanzer mischen können. Oder sollte es ein Risiko für die in der Nähe liegenden Siedlungen geben? Nehmen wir an, dass 20 000 palästinensische Pflanzer sich entschließen, die Befehle der Armee, das Gebiet abzusperren, zu ignorieren. Können wir so sicher sein, dass kein israelischer Kommandeur den Soldaten den Befehl zum Schießen gibt – zunächst mit Tränengas, dann mit Kugeln - auf die Tausenden von Leuten, von denen jeder nur eine Hacke trägt.? Nehmen wir an, dass es ein paar hundert Leute gibt, die einen kleinen Olivenbaum tragen und die bereit sind, verwundet oder gar getötet zu werden? Würden sie als Opfer es so weit bringen, die israelische Gesellschaft zu erschüttern? Und sagen wir mal, dass die IDF sich damit zufrieden gibt, die jungen Pflanzen überall auszureißen – und nicht zu schießen? Würde die israelische Gesellschaft verstehen, dass es das Recht der palästinensischen Gesellschaft ist, ihr Land zu kultivieren, auch wenn es kein Privatbesitz ist.

Und dies ist das 2. Hindernis – und dies ist noch viel schwieriger. Hunderttausende von Israelis – möglicherweise mehr – haben ein Interesse daran, dass die Siedlungen an Ort und Stelle bleiben und sich weiter ausdehnen, dass neue Schnellstraßen jede entfernte Siedlung mit Kfar Saba und Beit Shemesh verbinden und dass alle Wasserreserven der Westbank unter israelischer Kontrolle bleiben.

Da gibt es das Interesse von Israelis, deren Land ihnen keine Hoffnung auf Verbesserung anbietet – es sei denn, dass sie in die Siedlungen in die (besetzten) Gebieten ziehen. Da gibt es das Interesse israelischer Baufirmen, die die Siedlungen bauen, die Sicherheitsindustrie, die die Ausstattung fabriziert und die Leute trainiert, um die Sicherheit der Siedler zu gewährleisten oder von all denen, die direkten oder indirekten Kontakt mit den Siedlern haben: Familie, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Shin Bet-Offiziere und ihre Familien, die Angestellten des Erziehungs- und Gesundheitssystems.

Im Laufe von Jahrzehnten ist ein komplexes Interessengewebe gewachsen. Dieses Netzwerk, verbunden mit dem wohl bekannten Mantra über ein existentielles Sicherheitsrisiko, das von den Palästinensern ausgeht – gegenüber dem realen, persönlichen Risiko, dem Soldaten und Zivilisten ausgesetzt sind – hat den palästinensischen Widerstand für die meisten Israelis unhörbar und unsichtbar gemacht. Die interessierten Parteien werden die Armee stärken, egal welche Mittel sie anwendet, um einen Volksaufstand zu unterdrücken. Der bewaffnete palästinensische Kampf hat es nicht fertig gebracht, das israelische Siedlungsbauunternehmen zum Stoppen zu bringen. Heißt das, dass der Gewalt der Besatzung nichts im Wege steht?

Übersetzt von: Elle, zmag.org

hagalil.com 22-02-2004

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