Fünf Regelungen:
Im Königreich der Siedlungen
von Amira Hass, Ha'aretz
Es hat schon etwas Nerven aufreibendes, wenn das
Sicherheitspersonal am Eingang der Geschäfte, Cafés und Bürogebäude jeden,
der hereinkommt, darum bittet seine Tasche zu öffnen; die Mutter mit dem
Kinderwagen, den blonden jungen Mann mit der Kippa, den älteren Mann, der
aussieht wie ein Moshavnik. Niemand kam bisher auf die Idee, eine Regelung
einzuführen, um zwei Eingänge zu den Gebäuden einzurichten - einen für Juden
und einen für Araber. Trotz der fortwährenden Diskriminierung israelischer
Araber, vermittelt diese nicht bestehende Trennung eine ermutigende
Botschaft: Dass wir einige Schwellen des Schamgefühls noch nicht
überschritten haben. Einige würden sagen, jüdische Schwellen.
Diese fehlende Selektion ist besonders ermutigend für diejenigen, die
wissen, was auf der Ostseite der Grünen Linie geschieht. Dort drüben, im
„Königreich der Siedlungen“, wurden die Schwellen der Schande schon lange
vor den Selbstmordattentaten überschritten. Es gab trickreiche und legale
Manipulationen, die es Staatsbürgern ermöglichte Land zu besetzen, dass sie
gar nicht besaßen: Unter Verletzungen internationalen Rechts, auf besagte
Grundstücke vorzurücken; Begrenzung der Wasserquoten für Palästinenser und
großzügige Zuteilungen an Juden; komplizierte Regelungen, die es
ermöglichten, Zehntausende palästinensische Familien, ihres Wohnsitzes in
der Westbank und dem Gazastreifen zu entledigen; "Staatsland", das nur Juden
zugänglich gemacht wurde und dies zu extrem niedrigen Preisen; Straßen, die
planiert wurden, um nur von Juden benutzt zu werden zu können - mit einem
strategischen Ziel, die Enklaven des palästinensischen Gebietes zu
isolieren.
Und nun folgen Anträge, arabische Knessetabgeordnete und arabische Parteien
aus dem israelischen Parlament, der Knesset, zu verbannen und zu prüfen, ob
die fehlende Selektion vor den Cafés nur ein vages Echo, eines amputierten
bürgerlichen demokratischen Denkens sei, denn die Kriterien für einen
"jüdisch-demokratischen Staat" werden überlappt vom Gehorsam gegenüber den
Richtlinien, die im „Königreich der Siedlungen“ gesetzt und verfasst wurden
- seine Beschützer sind: die IDF (Israeli Defense Force, israelische Armee)
und der Shin Bet (innerer Sicherheitsdienst).
Richtlinie Nr. 1:
Jüdische Arabisten wissen immer, was Araber meinen und was sie wünschen,
selbst wenn die Araber das Gegenteil behaupteten. Folglich müssen Juden auch
nicht hinhören, was Araber sagen. Die Arabisten Israels wissen, dass Azmi
Bishara in Damaskus für den bewaffneten Widerstand gegen Israel aufrief und
Rechtsanwalt General Elyakim Rubinstein entschied, dass es nicht notwendig
sei die Gerichtsverhandlung und Anhörung Bisharas (über seine sehr unklaren
Äußerung, die er damals abgab) abzuwarten. Die Anklage lautet, dass er zu
einer arabisch-politischen Initiative aufrief, die dem palästinensischen
Widerstand gegen die Besatzung helfe. Interessant hierbei ist, dass die
arabischen Staaten seinen Vorschlag zum bewaffneten Widerstand gar nicht
befolgten, sondern die saudische Initiative annahmen, welche auf der
Zwei-Staaten-Lösung basiert. Die meisten der israelisch-arabischen
Öffentlichkeit gehörten zu denjenigen, die als erste für diese
Zwei-Staaten-Lösung plädierten. Wenn man ihnen rechtzeitig zugehört hätte,
hätte man viele Menschenleben retten können.
Richtlinie Nr. 2:
Die Berichte von Shin Bet sind immer akkurat und objektiv und ohne
irgendeine politische Voreingenommenheit. D.h. "Nadav" weiß sehr genau,
warum er von einer Sitzung Bisharas mit Hamas-Führern wusste, aber keine
Informationen hatte von den öffentlichen Versammlungen in Ramallah aus den
vergangenen zwei Jahren. Diesen Sitzungen, wohnten Menschen bei, die gerade
ein weiteres palästinensisches Kind, das von der IDF erschossen wurde,
begraben hatten. Bishara attakierte vehement die palästinensische Angriffe
auf Zivilisten und äußerte sich gegen den Ritus "eines bewaffneten
Widerstandes". Anscheinend hatte "Nadav" auch keinen Berichterstatter bei
einer Versammlung an der Tel Aviv Universität im letzten Jahr, als der
zweite Mann auf Bisharas Liste Balads (arab. Partei), Jamal Zahlaka, gefragt
wurde, ob es denn unnatürlich sei für die Palästinenser, wenn ein Teil im
palästinensischen Staat lebe und ein anderer Teil in Israel. Zahlaka
antwortete, es sei etwas völlig natürliches, wenn die Zwei-Staaten-Lösung
bedeute, das Wertvollste von allem zu bewahren - Leben.
Richtlinie Nr. 3:
Yesha ist der Staat. Folglich widersetzt sich jeder, der sich gegen die
israelische Besetzung der Westbank und des Gazastreifens ausspricht, auch
gegen den Staat Israel. Folglich opportuniert jeder, der den
palästinensischen Kampf gegen die israelische Besetzung unterstützt, den
Staat Israel und unterstützt den Terrorismus. Die Warnungen - wie jene des
Knessetabgeordneten Ahmed Tibi und vielen Juden der zionistischen Parteien,
dass die Besetzung eine existentielle Gefahr für den Staat Israel darstelle
- werden nicht helfen, denn ihre Meinung zählt nicht - sie entspricht nicht
den Ansichten des „Königreichs der Siedlungen“ und dessen Gründern und
Verfechtern in der Knesset.
Richtlinie Nr. 4:
Juden weltweit, haben das Recht, ihre Solidarität mit den Juden von Israel
auszudrücken und umgekehrt. Sie können auch großzügig an Israelis spenden,
die z. B., den Transfer (der Palästinenser) unterstützen (bewusst oder
unbewusst). Einem Araber ist es nicht erlaubt, den Schmerz seiner leidenden
Brüder zu spüren. Juden ist es erlaubt, die Armee zu glorifizieren und alle
seine Handlungen gutzuheißen. Arabern ist es nicht erlaubt, die Menschen von
Jenin und Nablus zu ehren, die der Bombardierung ihrer Städte durch die IDF
widerstanden.
Richtlinie Nr. 5:
Was in der westlichen Welt als undemokratisch gilt, ist für Juden
demokratisch. Es ist kein Zufall, dass einer der Hauptbefürworter des
Ausschlusses der arabischen Listen von der Knesset, Michael Kleiner ist, der
wirbt für eine arabische Auswanderung aus Israel. Es gibt Juden, die der
Meinung sind, dass der Aufruf zum bereitwilligen Transfer nicht nur
undemokratisch sei, sondern auch definitiv nicht jüdisch. Dennoch sind sie
Juden, die sich dem „Königreich der Siedlungen“ widersetzen, auch wenn ihre
Ansicht nicht zählt.
Gaza:
Tage und Nächte in
einem besetzten Land
Übersetzung / ZNet Deutschland 01.01.2003 / Claudia
Müller
hagalil.com 22-02-2004 |