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Die Ur-Unlogik

von Amira Hass, Ha'aretz

Nichts ist logischer, als willkürliche Zeiten festzusetzen, an denen die Palästinenser ihr Haus verlassen dürfen bzw. heimkehren. Nichts ist logischer, als ihnen zu verbieten, mit ihren Erzeugnissen vom Feld auf den Markt zu fahren. Und es ist auch logisch, ihnen zu verbieten, Besuch zu bekommen, Eselskarren oder Fahrrad zu benutzen oder die Eltern ein paar Kilometer entfernt zu besuchen bzw. - “ohne Koordination” - eine Ziege ins Haus zu bringen, damit die Kinder wenigstens frische Milch haben.

Nichts ist logischer, als Palästinenser einzuzäunen - in ihre Dörfer, Wohnviertel, auf ihrem Land - mittels elektronischer Barrieren. Raus darf dann nur noch, wer ein bestimmtes Mindestalter hat. Und was könnte wohl logischer sein, als 19-jährige (israelische) Soldaten als Wachposten an die Tore zu stellen. Manchmal machen sie zur rechten Zeit auf, manchmal aber auch nicht. Diese Soldaten setzen Regeln durch wie diese: 29-jährige dürfen nicht raus, 30-jährige dürfen, Schwangere dürfen raus, Nichtschwangere nicht. Es ist auch logisch, jeglichen Durchgang zu verbieten, sobald der Shin Bet (israelischer Inlandsgeheimdienst) dies urplötzlich für nötig hält. Ausgesperrt sind: ein 65-jähriger, der 1 1/2 Kilometer entfernt einkaufen ging, ein junger Mann, der vom Zahnarzt heimkommt, eine Mutter, deren Kinder zu Hause sitzen - nur Kinder unter 21 Monate dürfen raus. Ist doch völlig logisch, einem Palästinenser zu verbieten, an den 300 Meter von seinem Haus entfernten Strand zu gehen, oder? Eine halbe Million Menschen aus den nahen Städten dürfen nicht zum Strand - ganz logisch. Armeekommandeure und Soldaten setzen diese Logik Tag für Tag, Stunde für Stunde um: in Gaza, in der Siafa-Region im Norden und in Mawassi, das liegt in der Mitte des Gazastreifens. Logisch ist es aus folgendem Grund: Die Israelische Armee (IDF) im Herzen Gazas (das sie entgegen der Oslo-Legende 1994 nicht verlassen hat) hat den Auftrag, für Sicherheit, Ungefährdetheit und Leben jener Israelis zu garantieren, deren Regierung fortfährt, Leute dazu zu ermutigen, auf besetztes Gebiet zu ziehen. Und es ist logisch, weil israelische Regierungen seit den 70gern, Arbeitspartei wie Likud, sich entschieden, im Gazastreifen Juden anzusiedeln - in den wichtigsten freien Gebieten dieses engen Streifens, in den schönsten, den Dünen bzw. an der beeindruckenden Küste, die, anders als der Rest der Gaza-Region mit frischem Wasser gesegnet ist.

Ist doch logisch, Menschen in ihren Häusern u. Dörfern einzusperren, ihre Feldarbeit auf eigenem Grund und Boden zu sabotieren - schließlich subventioniert man andererseits logischerweise die jüdischen Siedlungen, die auf Vorväter-Land, in Gush Katif und Nord-Gaza, liegen. Es ist logisch, die Häuser der jüdischen Siedler an die Strom- und Wasser- versorgung anzuschließen, während man ihren palästinensischen Nachbarn verbietet, sich ans Stromnetz anzuklemmen bzw. ans Wasser- u. Abwassernetz. Natürlich klingt das brutal: Leute in ihren Häusern einzuschließen und ihre Obstgärten und Haine zu vernichten, die sie seit Jahrzehnten pflegen. Israel glaubt jedoch, es handle sich um eine logische Brutalität. Sie sei nötig, um die Brutalität der anderen Seite zu verhindern - einen bewaffneten Palästinenserangriff auf einen Kindergarten zum Beispiel oder auf eine Baumschule bzw. eine Landmine auf der Route eines (israelischen) Panzers, der patrouilliert, um diesen Kindergarten, diese Baumschule zu schützen.

Während der Oslo-Jahre fanden sich viele gute Israelis mit dem logischen Gedanken ab, die (israelischen) Siedlungen in Gaza werden “irgendwann” verschwinden. Aber Politik und Logik sind nunmal nicht identisch. Inzwischen - und noch vor Ausbruch des Blutvergießens im Sept. 2000 - baute man die (israelischen) Siedlungen in Gaza munter weiter u. verbesserte deren Infrastruktur. Die Sicherheit der Siedlungen verlangte, dass die Armee drakonische Bewegungseinschränkungen über 1 Million Palästinenser verhängte. Der nördliche Gazastreifen, mit seinen (israelischen) Mini-Siedlungen, wurde vom Rest des Streifens abgetrennt u. von Israel de facto annektiert. Währenddessen appellierten die Vertreter der Palästinenser am Verhandlungstisch weiter an den logischen Verstand ihrer israelischen Verhandlungspartner - erfolglos. Die Zahl der Siedlungen in Gaza nahm im Gegenteil weiter zu. Warum sollten die Siedler auch gehen? Man subventionierte sie, ihre Infrastruktur wurde immer besser, sie bekamen gute Straßen und einen expandierenden Markt für ihren wurmfreien Kopfsalat. Und warum hätte die (israelische) Regierung die Siedlungen auflösen sollen, wo doch die Palästinenser Verträge unterzeichneten, in denen die Auflösung der Siedlungen gar nicht vorkam? Das Schweigen der meisten Palästinenser über die meiste Zeit bewies den Israelis, sie könnten Frieden und Siedlungen gleichzeitig haben. Dieses Schweigen enthob die Israelis auch der Pflicht, sich mit jener Ur-Unlogik und Urgrausamkeit auseinanderzusetzen: dem Siedlungsbau. Die (israelischen) Regierungen nutzten das Schweigen der Palästinenser, um mit dem Ausbau der Siedlungen fortzufahren. Nach dem September 2000 gilt u. galt: Was die (palästinensischen) Appelle an die Logik nicht bewirken konnten, werden bewaffnete Angriffe erst recht nicht bewirken. Israel wird sich keinesfalls dem Terror beugen.

Schon bevor die erste Kassam-Rakete auf Sderot abgefeuert wurde, erschoss die israelische Armee Menschen, die es wagten, den (israelischen) Siedlungen bzw. den Wehreinrichtungen, die sie schützen, zu nahe zu kommen. Einige der Getöteten waren bewaffnet, bei vielen handelt es sich jedoch um einfache Schäfer und Bauern bzw. um deren steinewerfende Kinder. Alles Bauernland um die Siedlungen herum wurde kahlrasiert - beharkt, eingeebnet, zerstört - um den Soldaten, die die Siedlungen schützen, freie Sicht zu geben. Wie logisch.

Gaza: Tage und Nächte in einem besetzten Land

Übersetzung  / ZNet Deutschland / A.Noll

hagalil.com 22-02-2004

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