Ein durchaus vielversprechender Anfang:
Baraks Vermächtnis
von Mitchell Plitnick u. Liat Weingart
San Francisco Chronicle 29.11.2002
Plitnick u. Weingart sind beide
Ko-Direktoren der US-Organisation ‘A Jewish Voice for Peace’* (Eine jüdische
Stimme für den Frieden). Der vorliegende Artikel erschien zuerst im ‘San
Francisco Chronicle’.
UC Berkeley, Zellerbach Hall. Heute spricht dort der
ehemalige israelische Premierminister Ehud Barak. Aber auch viele
amerikanische Juden - angeführt von unserer ‘A Jewish Voice for Peace ‘* -
werden dort sein, um gegen Baraks Botschaft zu demonstrieren. Nein, das sind
keine Anhänger Ariel Scharons. Es sind vielmehr Menschen, die als
amerikanische Juden Barak als jemanden betrachten, der wesentlich dazu
beigetragen hat, Israelis u. Palästinenser in die schlimmste Gewaltkrise
seit 1948 zu verstricken.
Seit dem Scheitern der (Friedens-)Gespräche von Camp David im
Jahr 2000 ist Barak ja rastlos unterwegs - mit einer Kampagne, die die Welt
davon überzeugen soll: für das Scheitern der Gespräche war niemand anderes
verantwortlich als Jassir Arafat. Baraks Behauptung vom damaligen
“großzügigen Angebot” an die Palästinenser - das diese einfach
zurückgewiesen hätten -, appelliert an die schlimmsten Ängste sowohl der
israelischen als auch der amerikanischen Juden - die Befürchtung nämlich,
die Palästinenser wollten gar keinen Frieden sondern nur eins: die
Vernichtung des jüdischen Volks.
Viele Offizielle, die damals in Camp David mit dabei waren - auf
amerikanischer oder israelischer Seite - versuchen seither unentwegt u.
vehement, Baraks Version der Geschehnisse als falsch zu entlarven. Trotzdem
wird diese Version nach wie vor akzeptiert. Aber immerhin begreifen
inzwischen viele, Barak ist einer jener Politiker, die die schlimmsten
Alpträume der Wähler instrumentalisieren, um das eigene Versagen zu
kaschieren. In Wirklichkeit bestand Baraks Angebot nämlich in einem
palästinensischen Staat, der durchbrochen gewesen wäre von israelischen
Blocksiedlungen u. Umgehungsstraßen. Das Leben der Palästinenser wäre auf
diese Weise extrem kompliziert geworden. Die Palästinenser hätten gemäß
dieses Plans z.B. keine einzige gemeinsame Außengrenze mit einem arabischen
Staat gehabt, ihre Souveränität über (Teile von) Jerusalem wäre kaum der
Rede wert gewesen, zudem hätten sie kaum Kontrolle über die zwar geringen
aber doch wertvollen Westbank-Wasserressurcen erhalten.
Und, was vielleicht das Entscheidendste war: dieser Plan wurde Arafat als
‘Alles-oder-nichts-Option’ präsentiert. Sowohl Barak als auch Clinton hatten
klargemacht, Israel würde sich zu keinen weiteren Konzessionen bereitfinden.
Dazu kommt noch die Tatsache, dass Barak (während seiner Amtszeit) mehr
(jüdische) Siedlungen errichten ließ als sein - rechter - Vorgänger
Netanjahu - wirklich schwierig unter diesen Umständen für Arafat, das
“großzügige Angebot” anzunehmen.
Baraks Haltung (danach): Falls er die israelischen Wahlen im Februar 2001
gewänne, würde er mit den Palästinensern eine Friedensregelung aushandeln.
Unter den Auspizien dieser Hoffnung schickte er im Januar 2001 seine
Verhandler nach Taba - das war 5 Monaten nach Ausbruch der jetzigen
Intifada. Nach allem, was wir jetzt wissen, waren jene
Verhandlungen durchaus fruchtbar - dennoch wurden sie von Barak
abgebrochen. Grund: die Wahl saß ihm im Nacken, u. Scharon hatte bereits
öffentlich erklärt, (im Falle seines Wahlsiegs) werde er sich an keine in
Taba getroffene Vereinbarung halten. Seltsam, erst nachdem Barak im Februar
2001 die Wahlen verlor, änderte er seine Haltung gegenüber den
Palästinensern - nicht mal der Ausbruch der Intifada im September 2000 hatte
ihn zu soetwas bewegt, aber jetzt, in einer unglaublichen Kehrtwende, machte
Barak plötzlich die Palästinenser für seine Wahl-Niederlage verantwortlich.
Und nichts anderes tut er seither in immer derselben Leier.
Barak hätte lieber daran arbeiten sollen, dass israelische Kinder die
sichere Chance auf ein normales, sinnerfülltes Leben in einem friedlichen
Israel haben; stattdessen tourt er in der Weltgeschichte herum u. versucht
seinen eigenen Ruf zu retten. Und genau das ist der Grund, warum
amerikanische Juden heute auf die Straße geh’n u. gegen Baraks
Geschichtsdarstellung protestieren. Denn seine Version nützt nur einem,
nämlich Barak selber u. gießt immer mehr Öl in die hell lodernden Flammen
des Nahost-Konflikts.
Ehud Baraks Chance war es, als jener israelische Premier erinnert zu werden,
der das Ende der 18jährigen israelischen Besatzung im Süd-Libanon (endlich)
herbeigeführt hat. Ein großer Erfolg - viele Israelis hatten ja schon längst
darauf gedrängt. Und obwohl das Camp-David-Angebot an die Palästinenser weit
weniger “großzügig” war als von Barak behauptet, hat er doch viel mehr
geboten als jede andere israelische Regierung zuvor.
Die Fortschritte, die anschließend in Taba erzielt wurden, beweisen zudem,
dass das Angebot ein durchaus vielversprechender Anfang für weitere
Verhandlungen gewesen wäre - Verhandlungen, zur endgültigen Beendigung des
Konflikts.
Stattdessen aber hat Barak diese rastlose Kampagne zur Schuldverlagerung auf
die Palästinenser gestartet. Einen besseren ‘Sprecher’ hätte sich Ariel
Scharon gar nicht wünschen können. Was Scharon will: nichts weniger als die
Eliminierung jeder Möglichkeit zu einem gerechten Frieden zu kommen. Und
genau das ist Baraks Vermächtnis - leider.
Siehe hierzu auch
Raviv Druckers Buch "Harakiri"
Jedem Durchbruch folgte stets ein
Abbruch:
Was bleibt von Taba
nach der Wahl?
www.jewishvoiceforpeace.org
http://www.zmag.de/article/article.php?id=351
Übersetzt von: Andrea Noll / Orginalartikel: "Barak's Legacy"
hagalil.com 10-12-2002 |