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Uri Avnery 05.02

Scharon redet von
'Reform' oder 'Reformierung'

Uri Avnery, verfolgt die Karriere Ariel Scharons seit vier Jahrzehnten intensiv. Über die Jahre hat er drei ausführliche biographische Essays über ihn verfaßt; an zweien (erschienen 1973 u. 1981) hat Scharon noch persönlich mitgewirkt.

Wenn Scharon erklärt, die Reformierung der Palästinensischen Autonomiebehörde sei Vorbedingung für die Wiederaufnahme des Friedensprozesses, so ist dies ein Versuch überhaupt keine Verhandlungen mehr aufnehmen zu müssen.

Diese Forderung als Vorbedingung für Verhandlungen erlaubt es Scharon, ins gleiche Horn zu blasen wie US-Präsident Bush - der ja auch eine demokratische Reformierung der palästinensischen Autonomiebehörde fordert, etwas, was Bush von Ländern wie Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, Pakistan oder China nie verlangen würde.

Der 'Reform'-Slogan nützt Scharon noch in anderer Weise: er hält nämlich die Öffentlichkeit beschäftigt, gibt ihr den Eindruck der Ball sei im 'gegnerischen Feld', die desolate Situation sei nicht in Israels Hand, die Verantwortung liege einzig und allein bei den Palästinensern.

Zusätzlich verfolgt der 'Große Reformator' Palästinas mit seinem Vorgehen  noch weit entscheidendere Ziele. Als Armeegeneral kannte man Scharon nur als den Kommandeur, der 'das Schlachtfeld zu lesen' versteht - soll heißen, Scharon besaß die Fähigkeit, instinktiv die Achillesferse seines Feindes bzw. seiner Front zu erspüren. Schon lange vor dem 'Jom-Kippur-Krieg' im Oktober 1973 wußte Scharon, an welcher Stelle er die ägyptische Front durchbrechen u. den Suez-Kanal überqueren würde.

Auf genau derselben Basis hat Scharon schon vor langer Zeit entschieden: der kritischste Punkt in der Palästinenserfront ist ihr Präsident - Jassir Arafat. Viele sind ja der Ansicht, Scharons Versuche, Arafat zu beseitigen, rührten von dessen persönlichen Rachegelüsten - einer Art 'Vendetta', nachdem ihm Arafat in Beirut durch die Lappen ging. In Wahrheit liegen die Dinge noch viel ernster.

Scharon weiß: wenn es ihm gelingt, Arafat zu brechen, wird er damit automatisch das Rückgrat des palästinensischen Volks brechen - auf viele, viele Jahre hinaus; Jahre, in denen sich seine Arbeit vollenden ließe, nämlich die 'Besetzten Gebiete' mit jüdischen Siedlungen vollzustopfen bzw. diese Siedlungen Israel einzuverleiben.

Arafat ist ein starker Führer mit großer Autorität. Er schafft es, die verschiedenen Fraktionen seines Volks zusammenzuhalten. Ohne ihn würde zwischen den verschiedenen Gruppen vermutlich Bürgerkrieg ausbrechen. Und Arafat ist auch der Einzige, der zu mutigen u. historischen Entscheidungen fähig und in der Lage ist.

Sehr unterschiedliche Leute reden im Moment von einer Reformierung der Palästinenserbehörde - wobei jede dieser Parteien damit ein anderes Ziel verfolgt. Für Scharon hat 'Reformierung' nur die eine Bedeutung, nämlich Arafat beseitigen um an seiner Stelle eine Gruppe von Quislingen zu installieren, wie er es schon einmal, vor 20 Jahren, mit den sogenannten 'Dorf-Ligen' versucht hat.

Für Präsident Bush bedeutet 'Reform' die Einsetzung einer Palästinenserführung, die nach seiner (und damit indirekt auch nach Israels) Pfeife tanzt; im Gegenzug bekommen die Palästinenser dann einen abhängigen Staat zugestanden - ähnlich wie Puerto Rico oder Andorra. Von dieser Lösung hat früher auch schon Netanjahu gesprochen.

Auf palästinensischer Seite dagegen bedeutet 'Reform' folgende unterschiedliche Dinge: Einige Palästinenser beabsichtigen damit ganz einfach nur ihre Rivalen loszuwerden, um selbst deren Posten zu ergattern. Ich kann mir denken, dass einige der eifrigsten Reformverfechter unter den Palästinensern auf der Lohnliste des Mossad bzw. der CIA stehen.

Dann wäre da noch die Hamas zu nennen; sie erhofft sich von einer Reformierung der Palästinenserbehörde deren totalen Kollaps - wobei sie dann in die Presche springen u. das Vakuum ausfüllen will. Und es gibt auch noch diejenigen Palästinenser, denen es wirklich und ehrlich um sofortige Reformen geht - mit der Zielsetzung nämlich, ein geordnetes Staatswesen herbeizuführen - was sie dabei jedoch übersehen, ist, dass die Palästinenser sich ja noch mitten in einem Kampf befinden, in einem Existenzkampf ums nackte Überleben - mit dem Damoklesschwert der endgültigen Landesvertreibung nach wie vor über ihrem Haupt schwebend.

Aber es gibt auch noch die vielen Palästinenser, die eine ganz andere Art von 'Reform' planen: eine Reform, die die parasitären Elemente, die sich an die Palästinensische Autonomiebehörde angeheftet haben, einfach nur abschüttelt, ohne diese selbst zu beschädigen und die das palästinensische Volk so auf seinen nächsten und entscheidenden Schritt im Freiheitskampf vorbereitet. Also nicht 'Reformen statt Weiterkämpfen' heißt deren Devise vielmehr 'Reformen als Voraussetzung fürs Weiterkämpfen'. Diese Palästinenser haben in keinster Weise vor, Scharons bzw. Bushs Plan in die Tat umzusetzen - nämlich Arafat auszuschalten oder ihn in eine Art präsidialen Grüßaugust umzuwandeln - einen rein repräsentativen Staatspräsidenten, wie es etwa Moshe Katzav für Israel ist.

*)Quisling: Vidkun Quisling, norwegischer Politiker (1887-1945). Nach der Besetzung Norwegens durch Nazi-Deutschland arbeitete Quisling eng mit den deutschen Besatzern zusammen u. führte unter ihnen die sogenannte 'nationale Regierung'. Nach der Befreiung Norwegens wurde er hingerichtet, sein Name steht weltweit für 'Kollaborateur' bzw. 'Verräter'.

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hagalil.com 22-05-2002

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