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Rückzug aus den palästinensischen Gebieten:
In Caesars Gunst

Uri Avnery

George Caesar, der Kaiser des neuen römischen Reiches, liebt Mahmoud Abbas (Abu Mazen). Er hat ihn ins Weiße Haus eingeladen und überschüttet ihn mit Komplimenten. Wie im alten Rom gestalten die persönlichen Neigungen und Abneigungen Caesars die Politik der Weltmacht.

Alle Minister, Eunuchen, Beamten, Prokonsuln und Lokalherrscher handeln dementsprechend, während man Schmeicheleien in den Mund nimmt und die Weisheit des Kaisers preist, unabhängig davon, ob er wirklich weise ist wie Julius Caesar, dumm wie Tiberius oder einfach wahnsinnig wie Caligula. Caesar ist eben Caesar.

George Bush ist ein einfacher Mensch. Seine geistige Welt ist wie die eines Western, in dem es gute Kerle und böse Kerle gibt. Seine Eindrücke sind persönlich und kommen "aus dem Bauch". Sie haben nichts mit Logik oder politischer Analyse zu tun. Arafat hat Bush verärgert - er ist ein böser Kerl. Abu Mazen ist ein guter Kerl, hauptsächlich weil er nicht Arafat ist.

Wie König Herodes, der in Jerusalem lebte, aber dessen Ohren das leiseste Gemurmel in Rom vernahmen - so lauscht Ariel Sharon auf jedes Geflüster in Washington. Um auf Bush Einfluss auszuüben, muss er immer genau wissen, aus welcher Richtung der Wind weht. Wenn Bush Abu Mazen liebt, dann liebt Sharon ihn auch.
Ja, noch mehr: er lässt einen blau-weißen Teppich für ihn auslegen.

Er lädt ihn in seinen Jerusalemer Amtssitz ein, er begrüßt ihn über dem Emblem des Staates Israel mit Lächeln und Händeschütteln; er gibt öffentlich Order, Abu Mazen in jeder Weise zu unterstützen, achtet auf ihn wie ein guter Vater auf seinen vielversprechenden Sohn.
Aber mit solchen Freunden braucht man keine Feinde. Ich würde Abu Mazen raten, ihm nicht den Rücken zuzuwenden, wenn Sharon in der Nähe ist. Auf keinen Fall.
Sharons verborgene Agenda ist nämlich weit entfernt von der öffentlichen. Wie wir früher schon viele Male gesagt haben: Hört nicht auf das, was Sharon sagt, sondern achtet auf das, was er tut.

Seit dem Tag, an dem Abu Mazen zum palästinensischen Ministerpräsidenten ernannt wurde, ist es Sharons einziges Ziel gewesen, ihn so schnell und so kräftig wie möglich von seinem wackeligen Stuhl zu stürzen.
Es begann mit Statements von Sharon und Co, die Abu Mazen zu einem israelischen Handlanger machten, zu einem Subunternehmer für die Sicherheit Israels. Das geht so weiter, indem man ihm jegliche politische Unterstützung verweigert. So macht man ihn zu einem "gerupften Hühnchen", wie Sharon ihn nannte.

Sharons viele Statements über die Entlassung von Gefangenen als eine Geste der Großzügigkeit sind mit so vielen "Neins" belastet, dass sie bedeutungslos geworden sind. Kein Gefangener mit "Blut an den Händen". Keine Hamas- und Jihadanhänger. Nein, nein, nein - bis nur noch 300 übrig blieben, einschließlich gewöhnlicher Krimineller und Gefangener, die sowieso entlassen werden sollten.

Gleichzeitig hat Sharon fast keine seiner Verpflichtungen gegenüber der Road Map erfüllt. Die Beseitigung von etwa 60 Siedler-"Außenposten" ist zum Witz geworden. Nur ein einziger bewohnter Außenposten wurde in einem dramatischen Kampf vor den Filmkameras geräumt - und zwei neue entstanden dafür an seinem Platz. Das Einfrieren jeglichen Siedlungsbaus ist "vergessen" worden.

Der Bau der "Trennungsmauer", deren Hauptziel es ist, eine neue Grenze weit drinnen im palästinensischen Gebiet zu ziehen und möglichst viel Land an sich zu reißen, geht rapide voran - im Gegensatz zu Sharons eingegangener Verpflichtung gegenüber der Road Map nichts zu tun, das die Situation auf dem Boden verändert. Er ist dabei, fast zwei Milliarden (Milliarden, nicht Millionen) Dollar für dieses monströse Unternehmen auszugeben, während gleichzeitig das Erziehungs- und Gesundheitssystem in Israel aus Mangel an Geld zusammenbricht und allein erziehende Mütter in Zelten in der Nähe seines Amtsitzes protestieren.

Der Rückzug aus den palästinensischen Gebieten ist ein Bluff. Die israelische Armee hat sich aus einigen Gebieten des Gazastreifens zurückgezogen, die es sowieso verlassen wollte. Die Hauptstraße ist tatsächlich geöffnet worden, aber nicht vollständig, und sie kann in kürzester Zeit wieder geschlossen werden. Das Militär hat Teile von Bethlehem verlassen, baut aber weiter an Mauern in andern Teilen der Stadt. Rückzüge aus den andern palästinensischen Städten "werden im Augenblick nicht in Erwägung gezogen".
Überall in der Westbank machen die Checkpoints das Leben der Bevölkerung weiterhin zur Hölle. Jede Nacht werden weitere Leute verhaftet.

Der Generalstabschef rühmt sich, dass die Hudna (Waffenstillstand) ein israelischer Sieg ist und hetzt dadurch die Palästinenser auf, sie zu brechen. Der Kommandeur des Abschnitts Mitte klagt die palästinensischen Sicherheitskräfte an, bei der Freilassung eines gekidnappten Taxifahrers nicht genügend mitgearbeitet zu haben, obwohl er sich geweigert hat, ihnen die nötige Information zu geben.

Am wichtigsten aber ist, dass alle Sprecher Sharons Tag und Nacht verkündigen, dass Abu Mazen mit seiner Arbeit fehlgeschlagen sei. Israel wird keinen Schritt auf ihn zugehen, bis er nicht Hamas und Jihad entwaffnet, sagen sie. Das bedeutet, einen Bürgerkrieg zu beginnen und Hamas und Jihad dahin zu bringen, die Hudna zu beenden und mit einer neuen Feuersbrunst zu beginnen. Dies würde Sharon erlauben, sich aus seiner Verpflichtung, die Siedlungen zu demontieren, herauszuwinden.

Abu Mazen wird auch gesagt, er müsse Arafat entmachten, der bei weitem populärer ist als er. Die andauernde Gefangenschaft von Arafat in den Trümmern seines Ramallah-Amtssitzes schwächt natürlich Abu Mazen und stärkt Arafat.

Wenn man all diese Verhaltensmuster zusammen nimmt, gibt es nur eine mögliche Folgerung: während Abu Mazen einerseits gelobt wird, tut Sharon andererseits alles, um ihn zu begraben. Er kämpft nicht nur gegen Arafat, er kämpft - hauptsächlich - gegen Abu Mazen.

Unwahrscheinlich? Seltsam? Überhaupt nicht. Wie Herodes zu seiner Zeit kennt Sharon die vitale Bedeutung, in Caesars Gunst zu bleiben, um ihn manipulieren und ihn ausnutzen zu können.

Arafat stört Sharon bei seinen Bemühungen nicht. Bush hasst ihn. Aber Abu Mazen ist zu einem gefährlichen Konkurrenten in Bushs Gunst geworden. Er muss beseitigt werden - und zwar schnell.

Dies ist aber ein sensibler Job. Man muss sehr vorsichtig vorgehen, um jeden Verdacht in Washington zu vermeiden. Bush zu irritieren, muss auf jeden Fall vermieden werden. Wenn Sharon aus dem Weißen Haus also unzufriedenes Gemurmel hört, macht er schnell Konzessionen. Nicht 300 sondern 400 Gefangene werden entlassen, einschließlich Hamas- und Jihadanhängern. Soll ein weiterer "Außenposten" abgebaut werden? OK, bringt die Fernsehkameras, damit sie den dramatischen Kampf bezeugen. Auf jeden Fall kann man sich auf die Siedlerrowdies verlassen - sie werden in der folgenden Nacht wieder zurück sein. Die Hauptsache ist, Caesar und seine Eunuchen zufrieden zu stellen.

Heil Dir, Caesar! diejenigen, die dabei sind, Abu Mazen umzubringen, grüßen Dich.

(Aus dem Englischen übersetzt: Ellen Rohlfs und vom Verfasser autorisiert)
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