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Ein Abgrund kann nicht mit zwei Sprüngen
überwunden werden

Stellt die Verbrecher von Oslo
vor Gericht!


Uri Avnery 21.9.02

Wenn ich höre, wie rechte Israelis schreien: "Klagt die Verbrecher von Oslo an!" dann schaudert's mich. Weniger wegen der darin enthaltenden Verfälschung, als wegen des Klanges der Worte.

Der Slogan ist eigentlich eine - vielleicht sogar bewusste - Kopie eines Schlagwortes, das von den Nazis während ihrer erfolgreichen Kampagne gegen die Weimarer Republik verwendet wurde. Ihre heiseren Kehlen schrieen: "Klagt die November-Verbrecher an!"

Die November-Verbrecher waren die deutschen Staatsmänner, die im November 1918 den Waffenstillstand unterzeichneten, der den 1. Weltkrieg beendete. Nach vier Jahren tapferen Kampfes war die deutsche Armee erschöpft. Der Kaiser war geflohen. Der prahlende Generalstab war verzweifelt. Die Generäle baten die Staatsmänner, die Kapitulation zu unterschreiben, um zu retten, was noch gerettet werden konnte.

Nach der Nazi-Legende aber, geschah das Gegenteil. Die Staatsmänner, die den Waffenstillstand unterzeichnet hatten , seien Verräter. Sie hätten in den Rücken der siegreichen Armee ein Messer gestoßen. Der Nazi-Propagandist Joseph Goebbels lehrte seine Anhänger, dass eine Lüge bei ständiger Wiederholung in Wahrheit verwandelt werden kann und je größer eine Lüge ist, um so einfacher ist es, dass sie akzeptiert wird. Die Aufstachelung gegen die "November-Verbrecher" hatte Erfolg. Sie wurden ermordet und die Nazis wurden eine demokratisch gewählte Regierung.

Die Kampagne gegen Oslo

Die Kampagne gegen die "Oslo-Verbrecher" war auch erfolgreich. Rabin wurde ermordet und das Aufhetzen nimmt immer weiter wachsende Dimensionen an. Mit solchen Mitteln hoffen die extrem Rechten und die Siedler, den Staat zu übernehmen. Gemäß dem wohlbekannten Rezept wiederholen sie endlos die historische Lüge, so dass sie mittlerweile wie die Wahrheit eines Evangeliums angenommen wird. Die Medien wiederholen sie als selbstverständliche Tatsache. Die "Linke" - oder was von der "Linken" übrig geblieben ist - sieht aus, als wäre sie hypnotisiert und ist unfähig zu reagieren.

Die historische Wahrheit ist natürlich, dass nicht die Schöpfer des Oslo-Abkommens die historische Katastrophe verursacht haben, sondern seine Mörder. Falls es "Oslo-Verbrecher" gibt, dann sind es die, die von Anfang an das Abkommen ausgehöhlt, seine Verwirklichung verhindert haben und durch eine törichte Sabotagekampagne Erfolg hatten, es zu Fall zu bringen.

Als Basis für Frieden war das Oslo-Abkommen kein gutes Abkommen. Es konnte nicht gut sein, weil die objektiven Umstände schlecht waren. Das Kräftegleichgewicht zwischen Israel und den Palästinensern war etwa wie 1000 :1. Nach allen Kriterien, den politischen, militärischen, wirtschaftlichen, technologischen und sonstigen - war Israel in allem weit überlegen. Der Erfolg der ersten Intifada hat dieses Ungleichgewicht etwas aufgehoben und einen Kompromiss etwas leichter gemacht, aber die Situation war von einem vernünftigen Gleichgewicht weit entfernt. Arafat hatte nicht so unrecht, als er seinem Volk sagte, dass dies das bestmögliche Abkommen unter diesen sehr schlechten Umständen war."

Wenn man dies berücksichtigt, dann hätte das Oslo-Abkommen nicht besser sein können. Es ermöglichte eine enorme Errungenschaft: die Anerkennung des Staates Israel durch das palästinensische Volk und die Anerkennung des Palästinensischen Volkes und seiner Befreiungsorganisation durch den Staat Israel. Bis dahin hatte jede Seite die Existenz der anderen Seite bestritten. Diese gegenseitige Anerkennung ist eine unwiderrufliche historische Tatsache.

Es ist nicht nötig, die Schwachstellen des Abkommens aufzuzählen, dessen schlimmster Fehler war, das Endziel nicht zu definieren. Es skizzierte eine Folge von Zwischenstadien ohne festzusetzen, wohin sie führen sollten. Es war ein Zeitplan aufgestellt worden, der viel zu lang war. Die Verpflichtungen beider Seiten waren zu vage formuliert. Diese Fehler waren nicht das Ergebnis von Nachlässigkeit, wie viele - besonders Palästinenser - glauben, sondern waren absichtlich in das Abkommen eingebaut worden, und zwar von israelischen Offizieren, - die auf Wunsch von Rabin - im letzten Augenblick noch viele Paragraphen veränderten.

Im israelischen Friedenslager sahen viele diese Fehler ganz klar, aber nach einer hitzigen internen Debatte, entschieden die meisten von uns, das Abkommen trotzdem zu unterstützen. Unser Hauptargument war, dass nach der historischen gegenseitigen Anerkennung, eine unwiderrufliche Friedensdynamik den Prozess vorwärts bringen würde.

Ich bin noch heute davon überzeugt, dass wenn die Dinge schnell voran gebracht worden wären, das Oslo-Abkommen zum Frieden geführt hätte. Zu jener Zeit baten wir Rabin, die Warnung des früheren britischen Premier David Lloyd-George zu beachten, der über das irische Problem sagte: " Ein Abgrund kann nicht mit zwei Sprüngen überwunden werden". Rabin, dezent aber zögerlich, fürchtete sich, Dinge schnell voranzubringen. Er selbst klopfte den ersten Nagel in den Oslo-Sarg, indem er erklärte: "es gibt keine heiligen Daten". Dadurch rechtfertigte er die ersten Verletzungen des Abkommens und gewährte so den widerstreitenden Kräften in Israel die Zeit, um sich für einen Gegenangriff zu formieren.

Unter den Palästinensern verursachte das Abkommen eine riesige Euphorie. Ich war am Tag der Unterzeichnung Augenzeuge bei dem Freudenausbruch. Angriffe auf Israel blieben lange Zeit aus. Die Palästinenser waren davon überzeugt, dass als Gegenleistung für ihre große Konzession in Oslo ( sie verzichteten offiziell auf 78% vom Mandat Palästina) bald der palästinensische Staat in allen besetzten Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalem, aufgerichtet werden könnte.

Doch dies geschah nicht. Jede der nachfolgenden israelischen Regierungen weigerte sich, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, in dem sie behauptete, die andere Seite hätte das Abkommen auch verletzt. Israel hatte den 3. Rückzug noch nicht erfüllt, der fast die ganze Westbank (Zone C) vor drei Jahren hätte befreien sollen. Bis heute sind die vier versprochenen "sicheren Passagen" zwischen Gaza und der Westbank nicht eröffnet worden. Die Siedlungstätigkeit ist in ständig wachsendem Maße weitergeführt worden. Die wirtschaftliche und menschliche Situation ist in den (besetzten) Gebieten von Tag zu Tag schlimmer geworden. (z.B.: vor Oslo konnte jeder Palästinenser in Israel selbst uneingeschränkt reisen, auch zwischen Gaza und der Westbank, einschließlich Jerusalem. Mit Oslo war Schluss damit).

Auf palästinensischer Seite hat die Enttäuschung eine gefährliche Situation geschaffen. Auf israelischer Seite wurde die Opposition aggressiv und gewalttätig. Der Mord an Rabin, die Tat eines einzelnen, entsprach aber dem Wunsch eines großen Lagers und war der Anfang des Mordes an Oslo. Die Oslo-Feinde waren in Israel an die Macht gekommen und sie sind es noch immer.

Der ganze Oslo-Prozess ist auf den Kopf gestellt worden und keine andere Lösung zeichnet sich ab. Die blutige Gewaltspirale von Angriff - Vergeltung - Selbstmordanschlag hat wieder angefangen.

Wenn die Logik des Friedens der Logik des Krieges weicht, kehren sich die Abmachungen von Oslo ins Gegenteil um. Z.B. haben sich die 40 000 bewaffneten Palästinenser, denen es erlaubt war, die palästinensischen Gebiete zu betreten, um als solide Basis dem palästinensischen Staat zu dienen und für Frieden und Sicherheit zu sorgen, in einen Arm des Aufstandes gegen die fortdauernde Besatzung, verwandelt. Die Palästinensische Behörde, die als Nukleus für den werdenden Staat gedacht war, wurde das Zentrum der Intifada.

All dies hätte vermieden und der Frieden zwischen beiden Staaten hätte längst Realität werden können, wären wir schnell und entschieden auf der Oslo-Route vorangegangen. Die Mörder von Oslo haben dies verhindert - und diese stehen vor allem auf der israelischen Seite, weil wir die stärkere Partei sind.
Der Slogan "Klagt die Verbrecher von Oslo an!" sollte gegen sie angewandt werden.

(Aus dem Englischen übersetzt: Ellen Rohlfs)
3.8.02 Indict the Murderers of Oslo!!

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