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Nach dem Anschlag in Haifa:
Lebendes Schultzschild in der Mukatah

Uri Avnery

Die dramatischsten Augenblicke geschahen am Abend nach Yom Kippur. Wir saßen im Innenhof von Arafats Mukat'ah (fast zerstörter Regierungskomplex); eine Gruppe israelischer Friedensaktivisten und palästinensischer Freunde, hohe Beamte der Palästinensischen Behörde. Nach einem heißen Tag wehte ein angenehm milder Wind. Wir unterhielten uns über die Lage (über was sonst?) und den neuesten Tratsch über die palästinensische Führung. Von Zeit zu Zeit gesellte sich ein leitender Palästinenser hinzu, bevor er hinaufging, um den Präsidenten zu treffen, oder von ihm zurückkam.

Die große Gestalt von Jibril Rajoub tauchte zwischen den Sandsäcken, die den Eingang des Gebäudes schützen, auf. Er hatte Arafat getroffen und setzte sich einige Minuten zu unserer Gruppe. "Wir haben gehört, dass die israelische Regierung dabei sei, sich zu treffen", verkündete er düster.

Wir alle verstanden die Bedeutung. Ein Treffen der Regierung - was könnte das bedeuten? Was, wenn nicht einen Angriff auf die Mukat'ah?

Rajoub stieg in seinen schwarzen Wagen und fuhr weg, um seinen Geschäften nachzugehen. Wir unterhielten uns über die Möglichkeit eines Angriffs - und dann gingen plötzlich alle Lichter im Mukat'ah-Komplex aus. Totenstille folgte. Aus der Ferne hörten wir das näher kommende Brummen eines Flugzeugs. Niemand sagte etwas. Durch meinen Kopf ging ein Gedanke: "So, das wär's also!"

Und dann ging das Licht, so schnell wie es ausgegangen war, wieder an. Das Flugzeug flog vorbei in Richtung Amman. Wir setzten unsere Unterhaltung fort, als ob nichts passiert wäre.

Früher am Tag war die Atmosphäre aus einem anderen Grund angespannter gewesen. Einer der Freiwilligen kam mittags zurück zum Mukat'ah-Komplex und erzählte uns, dass er, als er in einem Cafe saß, Rufe gehört habe: "Die Israelis kommen!" Der Besitzer des Kaffeehauses drängte seine Gäste, wegzurennen, sogar ohne zu bezahlen. Kurze Zeit später tauchten zwei Armee-Jeeps auf. Aus der Ferne konnte man die Sirenen von Krankenwagen hören. Die beiden Jeeps fuhren weiter in die enge Straße vor der Mukat'ah, wo sie hin und zurück fuhren. Im Innern verbreitete sich schnell ein Gerücht. Es schien sich um einen Aufklärungstrupp vor einem Angriff zu handeln. Die Jeeps fuhren weg zum Zentralplatz von Ramallah. Die Kinder aus der Nachbarschaft bewarfen sie mit Steinen. Eine Routineangelegenheit. Die Ruhe kehrte zurück.

Als wir am Samstagnachmittag von der schockierenden Gräueltat in Haifa hörten, wurde uns klar, dass wir uns zur Mukat'ah begeben mussten. Innerhalb einer Stunde organisierten wir eine Gruppe von zehn israelischen Friedensaktivisten. Irgendwie gelang es uns, nach Ramallah zu kommen, das von der israelischen Armee umzingelt und abgeschnitten war. Mit uns waren 30 Friedensaktivisten (ISM) aus vielen Ländern.

Falls wir mehr Zeit gehabt hätten, wäre die Gruppe vielleicht größer gewesen. Aber es waren die jüdischen Feiertage und viele potentielle Teilnehmer waren im Ausland, andere konnten sich uns nicht so kurzfristig anschließen. Aber für uns war dieser Zeitpunkt wesentlich.

Es war klar, dass Ariel Sharon versuchen würde, die Schandtat des Jihad, bei dem ganze Familien getötet wurden, auszunutzen, um seinen jahrelangen Traum zu verwirklichen: Yasser Arafat zu töten. Das war so offensichtlich, dass automatisch eine Frage aufkam: War dies vielleicht erst einmal das wirkliche Ziel der Initiatoren?

Die Selbstmordattentäterin war eine junge Rechtsanwältin, die sich persönlich rächen wollte, denn sowohl ihr Bruder als auch ihr Verlobter wurden von der israelischen Armee getötet. In den Palästinensergebieten gibt es jetzt Tausende solcher Menschen, Männer und Frauen, und jeder von ihnen ist eine Zeitbombe. Sie brauchen keine politischen Gründe. Ein Israeli, der anordnet, palästinensische Männer, Frauen und Kinder zu töten, muss wissen, dass dies die (direkte) Folge ist.

Aber die Organisation Islamischer Jihad hat für die Tat die Verantwortung übernommen. So wurde aus einem persönlichen Rachefeldzug eine politische Handlung. Eine politische Handlung hat politische Ziele. Und das Ziel konnte nur mit der Tatsache verknüpft werden, dass - wie die ganze Welt weiß - Sharon bereit ist, Arafat jederzeit zu töten. Die israelische Regierung hat schon offiziell beschlossen, Arafat zu "entfernen". (Im Ausland wurde dies fälschlicherweise mit "ausweisen" bezeichnet). Zurzeit verhindern dies nur die Amerikaner. Aber nach einer größeren Gräueltat könnte das rote Licht der Amerikaner auf grün umspringen oder zumindest auf gelb. Für Sharon könnte das leichteste gelbliche Flimmern ausreichen, um seinen Plan auszuführen.

Eine palästinensische Organisation, die unter solchen Umständen einen Selbstmordattentäter schickt, weiß, dass ihre Tat nicht nur Dutzende Israelis, Frauen, Männer und Kinder, tötet und verwundet, sondern auch den Tod des palästinensischen Führers verursachen könnte. Es scheint, dass der Jihad, oder jemand im Jihad, dies wünscht. Er hofft, dass die Ermordung Arafats den Zusammenbruch der Palästinensischen Behörde, eine allgemeine Anarchie im gesamten Land, die Schaffung Hunderter terroristischer Zellen in den Palästinensergebieten und den immensen Anstieg des Ansehens von Jihad zur Folge haben wird.

Wie es manchmal in der Geschichte geschieht, stimmen die Interessen des Jihad mit denen Sharons überein. Um seine Politik - die Entfernung der Palästinensischen Behörde, die Erweiterung der Siedlungen im ganzen Land und die Vorherrschaft Israel über alle palästinensischen Gebiete - zu verwirklichen, benötigt er eine Atmosphäre, in der Anarchie herrscht und einen sich stets vergrößernden Kreislauf des Blutvergießens. Arafat ist ein Hindernis auf seinem Weg und deshalb will er ihn ins Jenseits "befördern".

Genau aus diesem Grund muss eine konsequente israelische Friedensbewegung, die diesen Namen verdient, alles tun, um diese Tat zu verhindern. Die Ermordung Arafats wäre eine historische Katastrophe für den Staat Israel, weil dass jegliche Friedensmöglichkeiten für die zukünftigen Generationen verhindern und in bis heute unbekannte Dimensionen steigern würde.

Deshalb beschlossen wir, die Katastrophe mit den dürftigen Mitteln, die uns zur Verfügung standen, zu verhindern.

Der Empfang in der Mukat'ah war stürmisch. Dutzende Fernsehteams aus der ganzen Welt, besonders aus der arabischen Welt, quetschten sich im Hof zusammen und stürzten sich auf uns. Wir wurden mit Fragen von allen Seiten und in verschiedenen Sprachen überschüttet.

Eine Frage tauchte immer wieder auf: "Glauben Sie, dass Sie einen Angriff von Sharon aufhalten können?"

Wir alle antworteten ehrlich, dass wir es nicht wüssten. Wir können keine Panzer, Kriegsflugzeuge, ausgebildete Soldaten oder Betäubungsgas aufhalten. Aber wir hoffen, dass das bloße Wissen über das Vorhandensein einer Gruppe Israelis, wie auch Menschen aus anderen Ländern, im Mukat'ah-Komplex, als weiterer Faktor dazu beitragen kann, der auf die Waage gelegt wird, wenn Sharon und seine Generäle die Entscheidung treffen. Wenn die Argumente dafür und dagegen sich die Waage halten, kann sich dieser Faktor als entscheidend erweisen.

(Am nächsten Tag wurde in den Medien erwähnt, dass ein Teilnehmer an den "Sicherheitsberatungen" tatsächlich diese Frage aufgeworfen habe.)

Es war schon spät und man zeigte uns unsere Unterkünfte. In einem großen Saal, der nach seiner Zerstörung wiederhergestellt worden war, waren den Wänden entlang Matratzen gelegt worden, jede einzelne mit einer dicken Decke. Neben dem Saal waren vernünftige Toiletten gebaut worden. An einer Seite der Halle standen Tische mit Kaffee- und Teedosen, Flaschen mit alkoholfreien Getränken, Pittabrot, Käse und Konserven. Einer der Assistenten Arafats, Dr. Sami Mussalem informierte uns, dass der Ra'is (Präsident) krank und am heutigen Tag im Bett geblieben wäre, uns aber morgen früh empfangen werde. In der Zwischenzeit kümmerte er sich um unsere Bedürfnisse.

Nach Stunden des Organisierens und Reisens waren wir ziemlich hungrig und müde. Wir versuchten, die Nachrichten über israelische Radiosender zu bekommen und suchten uns Matratzen aus. Es gab verschiedene Meinungen, welches der beste Platz bei einem Luftangriff wäre, im Gegensatz zu einem Angriff durch Soldaten. Die Toiletten? Die Eingänge? Wir schliefen alle in unseren Kleidern. Die meisten zogen nicht einmal ihre Schuhe aus. Für alle Fälle wurden nicht alle Lichter ausgemacht.

Es war nur zeitweise möglich zu schlafen. Die ganze Nacht hindurch hörten die Mobiltelefone nicht auf zu klingeln. Leute aus Amerika, Europa, Südafrika und Asien baten uns immer wieder um Interviews. Es schien, als ob wir zu Objekten der internationalen Neugierde geworden waren.

Um sechs Uhr morgens wurde ich durch das Klingeln des Mobiltelefons geweckt. Ich rannte nach draußen, um nicht die Dutzenden schlafender Menschen zu wecken. Eine junge Frau von einer der morgendlichen Talkshows wollte wissen, ob ich bereit wäre, um sieben Uhr ein Interview zu geben.

Normalerweise wäre ich darüber nicht besonders glücklich gewesen, aber dieses Mal war ich in guter Stimmung. Eine ganze Nacht war vorübergegangen, ohne dass etwas Schreckliches passiert war.

Ich blieb draußen. Der Hof war leer, abgesehen von einigen Soldaten, die ihren Wachdienst verrichteten. Ich nahm einen Stuhl und setzte mich in eine Ecke.

Über mir wehten in der leichten Brise Hunderte von palästinensischen Fähnchen, die, zusätzlich zu den großen Fahnen am Dach, an Schnüren flatterten. (Früher hießen sie "PLO-Fahnen" und jeder, der so eine besaß, konnte drei Jahre Gefängnisstrafe erhalten.) Auf den Mauern, die den Hof auf drei Seiten umgeben (zwei Gebäude und die berühmte Brücke zwischen ihnen sind stehen geblieben) waren farbenfrohe Plakate, die von der großen Solidaritätsdemonstration, die nach Bekanntgabe von ("Arafats) Beseitigung" durch die Sharon-Regierung stattfand, übrig geblieben waren.

"Unsere Seele, unsere Seele gehörte dem Befehlshaber und Symbol Abu Amar", hieß es auf einem der Plakate. Abu Amar ist Arafats Kampfname. Ein anderes am Ministerium für Flüchtlingsangelegenheiten besagte: "Für Bruder Arafat, dem Symbol unseres Kampfes, die Unterstützung der Zelte des palästinensischen Volkes". Auf einem der Plakate waren die Bilder vom Felsendom und der Grabeskirche. Auf allen Plakaten war Arafat mit seiner berühmten Keffiye (palästinenische Kopfbedeckung). Der goldene Felsendom und das Bild von Arafat sind, abgesehen von der Fahne, die beiden Symbole des palästinensischen Kampfes. Das Wort "Symbol" (Rams im Arabischen) erschien ohne Ausnahme auf allen Plakaten.

An einer der Mauern hing ein zwei Stockwerke langes Tuch mit Hunderten kleiner Handabdrücken in den palästinensischen Farben, rot, grün und schwarz auf einem weißen Hintergrund, ein Geschenk der Kinder aus der Schule eines Flüchtlingslagers.

An diesem Morgen sah das alles sehr fröhlich aus. Die Mukata'ah war ruhig, die wenigen Wächter schienen sich zu langweilen. Jeder Soldat, der an mir vorbeiging, sagte freundlich "Sabah al-Kheir" (Guten Morgen auf Arabisch) und einige sagten sogar "Boker Tov" (das Gleiche auf Hebräisch). Eine vollkommene Ruhe, doch eine trügerische. Das Wissen, dass all dies in einem Augenblick zerstört werden, und aus der fröhlichen Szene eine Szene aus Blut und Tod werden könnte, blieb in meinem Hinterkopf.

Etwa um 11 Uhr wurde uns mitgeteilt, der Ra'is sei von seinem Krankenbett aufgestanden und sei bereit, die Mitglieder der israelischen Schutzschildgruppe in seinem langen Sitzungssaal zu empfangen.

Seit diesem Zeitpunkt wurde ich Dutzende Male gefragt: Wie sieht er aus? Er sah aus wie jemand, der nach einem Grippeanfall geschwächt ist: blasser und dünner. Es schien mir, als wäre es besser gewesen, wenn er noch einen oder zwei Tage im Bett geblieben wäre. Aber er hatte sich offensichtlich gezwungen, aufzustehen.

Er empfing uns israelische Friedensaktivisten mit viel Gefühl, er lachte breit, schüttelte viele Hände und umarmte uns. Die Tatsache, dass in solch einem Notfall Männer und Frauen aus Israel gekommen waren und sich als "menschliches Schutzschild" einsetzten, hatte einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Darüber sprach er wiederholt.

Ungefähr ein Dutzend Fernsehteams durften in den Raum und begannen das Treffen aufzuzeichnen. Abu-Ala (Ahmad Kurei) kam ebenfalls. Arafat stellte ihn neben mich und sich selbst und verurteilte das Selbstmordattentat vom Samstag aufs Schärfste. Die Notstandsregierung unter Bruder Abu-Ala, so sagte er, würde die größtmöglichen Schritte unternehmen, um solche Gräueltaten zu beenden.

Ich bemerkte die israelische Fahne auf seiner Brust. Vor einem Monat, während eines vorherigen Besuches, sah ich, dass er auf der Klappe der Brusttasche seiner Uniform verschiedene Embleme mit gekreuzten Fahnen trug: Palästina-Kanada, Palästina-Italien etc. Ich entfernte das Gush-Shalom-Emblem von meinem Hemd - die gekreuzten Fahnen von Israel und Palästina) und legte es vor ihn hin. Er nahm es sofort und steckte es über die anderen.

Ich war überrascht, dass er es immer noch angesteckt hatte und auch an diesem Tag trug. (Zwei Tage später, bei der Vereidigung der Regierung Abu-Ala, trug er die israelische Fahne auf seiner Brust.)

Nach dem Treffen lud Arafat uns und die internationalen Freiwilligen (ISM) zum Mittagessen in den Saal über unseren Schlafquartieren ein. Auf den langen Tischen waren traditionelle Gerichte: Hammelfleisch auf Reis, Sinia (Hackfleisch in Tehina), gebackene Hähnchenteile. Zum Schluss wurde echtes Kenafeh aus Nablus, das man als das Beste in der Welt betrachtet, serviert. (Kenafeh ist eine arabische Süßigkeit mit Käse).

Rachel und ich saßen rechts und links von Arafat. Gewöhnlich isst er sehr wenig und bietet seinen geehrten Gästen mit seinen Händen eine Auswahl von Fleischleckerbissen oder Gemüse an. Diesmal schlürfte er nur Hühnersuppe, die man speziell für ihn zubereitet hatte. Er erzählte meiner Frau Rachel, dass er sich an eine strikte Diät aus Hühnersuppe halte, welche das Beste nach einer Virusgrippe sei, die seinen Magen angegriffen habe.

Unter den Gästen in der Mukat'ah war an diesem Tag auch ein italienischer Chor. Vor und nach dem Mittagessen sangen sie die Lieder der italienischen Partisanen, die gegen das faschistische Regime und die Deutschen gekämpft hatten. Die Emotionen im Raum stiegen hoch, als alle, einschließlich Arafat, die Hände erhoben und mitsangen. Als sie ihre Darbietungen beendet hatten, erhob sich einer der ISM-Leute, ein junger Japaner, und sang ein wunderbares japanisches Friedenslied. Es kam heraus dass Naoto, dessen Alter ich nicht schätzen konnte, Soziologie studiert hatte, sich dann aber entschied, Sänger zu werden. Er ist ein perfekter Pantomime und seine gute Stimmung und seine unschuldige Gutherzigkeit ließen ihn zum Liebling der Gruppe werden.

Zum Schluss wurde ein Gruppenfoto gemacht und alle Israelis und ISM-Leute gruppierten sich um Arafat. Es war kaum zu glauben, dass es sich nicht um eine Geburtstagsfeier handelte, sondern um ein Treffen von Menschen, die ihr Leben für den Frieden riskierten.

Yom Kippur ging ruhig vorüber. Wir sahen die Parade palästinensischer Persönlichkeiten, die kamen und gingen, während die Aufgabe der Regierungsbildung langsame Fortschritte machte. Es war offensichtlich, dass Arafats und Abu-Alas Entscheidung, eine kleine Notstandsregierung zu bilden, die (außer dem Premierminister) nur aus acht Mitgliedern besteht, viele wichtige Funktionäre, die außen vor geblieben waren, enttäuscht hatte. Alle Persönlichkeiten kamen auf uns zu und grüßten uns herzlich.

Arafats enger Vertrauter Nabil Abu-Rudeina wurde von Journalisten gefragt, wie sich die Palästinenser auf die USA, die arabischen Staaten, Europa oder die Vereinten Nationen verlassen könnten. Seine Antwort: "Wir verlassen uns in erster Linie auf unsere israelischen Freunde."

Während des gesamten Tages riefen mich Journalisten aus dem Ausland an (und auch aus Israel, aber ich werde die nicht verraten, die mich am heiligen Yom Kippur anriefen) und fragten nach Arafats Gesundheitszustand. Es schien, dass draußen einige Gerüchte, davon einige ganz verrückte, verbreitet wurden. Stimmte es, dass Arafat durch Israel vergiftet worden war? Ich antwortete, dass Arafat selbst davon nichts beim Mittagessen erwähnt habe.

In einer Ecke des Hofes steht ständig ein Krankenwagen (das war in Israel in den Tagen Begins auch üblich). Am Abend kam ein zweiter Krankenwagen. Ein einziger Mann stieg aus und näherte sich dem Gebäude mit langsamen Schritten. Mir wurde später mitgeteilt, dass es sich um den Freund des in der Mukata'ah lebenden Arztes handelte, der vorbeigekommen war, um ihn zu besuchen. Nach einer Zeit kam er heraus, stieg in den Krankenwagen, stellte das blinkende rote Licht an und fuhr ab.

Innerhalb einer Stunde erhielt ich aufgeregte Anrufe aus Tel Aviv. Stimmt es, dass Arafat einen Herzinfarkt erlitten habe. Stimmt es, dass er ins Krankenhaus gebracht worden war. Ich konnte mit Gewissheit antworten, dass dies nicht der Fall war. Später verbreitete sich das Gerücht, er habe einige Tage zuvor einen leichten Herzinfarkt gehabt. Ich bin kein Arzt, aber nach meinem Eindruck zu urteilen, scheint dieses Gerücht nicht wahr zu sein.

Am Tag nach Yom Kippur wurde die Abu-Ala-Regierung vereidigt. Wir, die Mitglieder der israelischen Gruppe, standen in der ersten Reihe, in dem Teil des Saals, der für die stark vertretenen Medien, reserviert war. Wir trugen die großen Aufkleber von Gush Shalom auf denen die Fahnen Israels und Palästinas sind.

Die Zeremonie begann spät, weil es im letzen Moment noch zu Problemen kam (Palästinenser können, wie Israelis, nichts machen, ohne dass im letzten Moment noch Probleme auftauchen). Nachdem die Zeremonie vorüber war, sah Arafat uns, ging direkt auf uns zu und umarmte die israelischen Aktivisten vor den versammelten Kameras der Welt.

Dies war sowohl eine persönliche als auch eine politische Geste. Der Führer der Palästinenser wollte der Welt zeigen, dass ein Abkommen mit Israel der erste Tagesordnungspunkt der neuen Regierung sei.

Für uns war klar, dass mit der Errichtung der Regierung, die drohende Gefahr für Arafats Leben vorläufig vorbei war, zusammen mit den schrecklichen Ereignissen, die ein Mord an ihm zur Folge gehabt hätte. Nach drei Tagen und Nächten kehrten wir nach Hause zurück, bereit wiederzukommen, falls es sich als Notwendigkeit erweisen würde, um alles Mögliche zu tun, um eine Tat zu verhindern, die für Israel eine Katastrophe bedeutete. Für uns ist das die patriotischste Handlung, die wir unternehmen können.

(Aus dem Englischen: Tony Kofoet) (Ohne Autorisation von Uri Avnery, der sich z..Zt in der BRD auf Vortragsreise befindet.)
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