„Gott will es!“
Uri Avnery
Zwei schockierende Manifeste wurden in dieser Woche öffentlich abgegeben.
Beide Manifeste müssen kommentiert werden.
...das Auflösen von Siedlungen im Gazastreifen - "ethnische Säuberung"
und ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit"...
Das eine erklärt, das Auflösen von Siedlungen im Gazastreifen sei ein
„Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Es wird dabei nicht erklärt, dass die
Siedlungen auf Landreserven einer Million Palästinenser errichtet wurden,
die zusammengepfercht im winzigen Streifen lebt, und dass sie diesen
außerdem das sehr knappe Wasser stehlen. Ihre Auflösung – so heißt es in der
Erklärung – sei ein „Ausdruck von Tyrannei, Bosheit und Willkür“. Offiziere
und Soldaten werden aufgerufen, sich an dieser „ethnischen Säuberung“ nicht
zu beteiligen.
Dieses Manifest wurde sowohl vom Vater und Bruder
Binyamin Netanyahus als auch von Meir Har-Zion, dem Lieblingsjünger Ariel
Sharons, unterzeichnet, der in den Fünfzigerjahren dafür bekannt wurde, mit
eigenen Händen die Kehlen einiger unschuldiger Beduinen durchschnitten zu
haben – aus Rache am Mord an seiner Schwester. Auch zwei frühere
Generaldirektoren des Büros des Ministerpräsidenten unterschrieben. Die
meisten der Unterzeichner sind nicht religiös.
..."in Namen G'ttes"...
Das zweite Manifest besagt, die Halacha (jüdisches Religionsgesetz) befehle
das Töten von unschuldigen palästinensischen Zivilisten, wenn dies hilft,
jüdische Soldaten zu retten.
Diese Erklärung ist von den Rabbinern der Jeshivoth Hesder unterschrieben
worden, von Rabbinern der Westbanksiedlungen und von anderen religiösen
Führern. Später schloss sich ihnen noch ein sefardischer Oberrabbiner an.
Über die erste Erklärung habe ich mich nicht besonders aufgeregt. Leute
dieser Art existieren überall auf der Welt. In anderen Ländern werden sie
Faschisten genannt. Was sie mit einander verbindet, ist eine primitive
atavistische Moral, die besagt, „wir“ sind überlegen, Gottes auserwähltes
Volk etc. – und „sie“ sind minderwertig. Ihnen gegenüber können wir tun, was
uns gefällt. Uns gegenüber dürfen sie gar nichts tun. (In der Erklärung
werden die Siedler aufgefordert, „ihren eigenen Leuten“ gegenüber kein
körperliches Leid anzutun – was den Umkehrschluss zulässt, anderen gegenüber
sei es erlaubt).
Im Laufe des 20. Jahrhunderts haben solche Leute Tod und Vernichtung über
viele Völker gebracht, auch über ihr eigenes. Aber einigermaßen normale
Völker überwinden dies schließlich. Ich hoffe, uns gelingt dies eines Tages
auch.
Das zweite Manifest ist weit gefährlicher. Eine
religiöse Lehre, die im Namen Gottes zum Töten von Zivilisten aufruft, muss
sehr ernst genommen werden. Solch ein von Rabbinern der Jeschiwoth Hesder
unterzeichnetes Dekret ist zehnmal schlimmer.
Um dies zu verstehen, muss man wissen, dass diese Jeshivot in Wirklichkeit
militärische Einheiten sind. Sie stellen ein einzigartiges Phänomen der
israelischen Armee dar: ganze Einheiten, die sich auf eine
politisch-ideologische Basis gründen, gehorchen ihren eigenen Führern.
Als David Ben-Gurion mitten im 48er-Krieg die israelische Armee (offiziell
die Israelische Verteidigungsarmee - IDF –genannt) aufbaute, war er
entschlossen, alle politischen Gruppierungen zu eliminieren. Deshalb löste
er die Palmach auf, die legendäre Elitegruppe, die sich auf die Kibbuzim
gründete und nach links tendierte.
Die jetzige Einrichtung wurde offiziell geschaffen, um Studenten
jüdisch-religiöser Seminare in die Lage zu versetzen, in der Armee zu
dienen, ohne ihre Studien zu unterbrechen. In der Praxis sieht es aber so
aus, dass sie eine Miliz von Rechtsradikalen - besonders Siedler –
darstellen. Während sie in der Armee dienen, stehen sie nominell unter der
Befehlskette der Armee, praktisch sind sie aber den Rabbinern unterstellt,
deren Position an politische Kommissare der Roten Armee erinnern.
Falls es jemals einen Konflikt zwischen den Befehlen der Offiziere und den
Direktiven der Rabbiner geben wird, wird die große Mehrheit der
Soldaten-Studenten zweifellos den Rabbinern gehorchen. Sowieso trägt jetzt
eine große Anzahl der Offiziere selbst eine Kippah, was ihre Zugehörigkeit
zum religiösen Lager bestätigt.
Die Führer des nationalistisch-religiösen Flügels – und besonders die
Siedler – sind seit Jahren systematisch darum bemüht gewesen, die Armee von
innen her zu erobern. Während der ersten Jahrzehnte der IDF hatten die
Kibbuzmitglieder einen entscheidenden Einfluss auf das Armeekommando; aber
heutzutage haben die Siedler und andere nationalistisch-religiösen Leute
dies übernommen. Sie füllen die Ränge der unteren und mittleren Ränge des
jüngeren Offizierskorps. Diese Entwicklung und die verstärkte Besatzung (der
palästinensischen Gebiete) hat das Aussehen der IDF vollständig verändert.
Sie ist jetzt eine andere Armee.
Die Erklärung der Jeshivot-Leiter, die zum Töten von palästinensischen
Zivilisten aufruft, deckt diese Situation auf. Da kein einziger Leiter einer
Jeschiwath Hesder sich dagegen ausgesprochen hat, müssen wir
annehmen, dass sie darin einer Meinung sind.
Auf den ersten Blick ist es nur ein Gutachten von Fachleuten. Mit der für
die Führer dieses Lagers typischen Heuchelei sagen sie, dies sei – Gott
bewahre! – keine Einsatzorder, sondern nur eine arglose Bemühung der
Rabbiner, dem Volk zu erklären, was die Halacha zu diesem Problem sagt.
Es handelt sich aber selbstverständlich um eine Erklärung mit
Hintergedanken. Die Jeshivot-Soldaten sind täglich in Situationen
verwickelt, in denen sie über das Schießen oder Nichtschießen auf Zivilisten
entscheiden müssen. Dabei ist ganz klar, dass ihr Verhalten von der
„Meinung“ ihrer Rabbiner bestimmt wird. Das zur Zeit kursierende Manifest
kann für viele zum Todesurteil werden.
Schon heute werden jeden Tag palästinensische Zivilisten getötet. Nur über
einen kleinen Teil dieser Vorfälle wird in den Medien berichtet. Ein alter
und körperbehinderter Mann wurde vor kurzem in den Trümmern seines Hauses
von einem Armeebulldozer begraben, der es so schnell zerstörte, dass es
seiner Familie nicht mehr möglich war, ihn in Sicherheit zu bringen. Erst
gestern wurde ein neunjähriger Junge getötet, während er zu Hause schlief.
Ihn traf das Schrapnell einer von einem Hubschrauber auf ein Nachbarhaus
gefeuerten Rakete. Fast jeden Tag werden Jungen jeden Alters getötet,
während sie Steine auf Panzer und Soldaten werfen, (die kugelsichere Westen
und Helme tragen).
Es ist unmöglich, - wenn überhaupt - zu erfahren, wie viele dieser
Zivilisten – Männer, Frauen, alte Leute und Kinder von Jeshivot-Soldaten
oder von Soldaten unter dem Kommando von Kippah tragenden Offizieren getötet
wurden. Keiner kann ohne belastenden Beweis angeklagt werden. Aber es ist
klar, diese rabbinische Interpretation der Halacha hat nun einen
Koscherstempel für solche Akte erhalten. Jeder Anspruch auf den Mythos
„reiner Waffen“ entfällt somit. Sie annulliert nicht nur jedes Mordverbot,
sondern auch die Scham für solche Akte.
Die einzige religiöse Stimme, die sich gegen dieses
entsetzliche Dokument erhob, war die einer kleinen und mutigen Gruppe, den „Rabbinern
für Menschenrechte“. Sie versuchen, gegen diese schmutzige,
messianische Strömung anzukämpfen, die fast das ganze religiöse Lager
Israels überschwemmt hat. Ihr Statement deckt auf, die Führer der Jeshivot
haben die von ihnen „zitierten“ Talmudsätze absichtlich gefälscht.
Der wahre Text verbietet einem Juden, Unschuldige zu töten, auch nicht, um
das eigene Leben zu retten. Schließlich habe Gott alle Menschen „nach seinem
eigenen Bilde“ geschaffen. (Genesis 1, 27).
Leider wird dieses Statement keinerlei Einfluss auf die religiöse Miliz
innerhalb der Armee und noch weniger auf die Siedler haben, die jetzt
(zusammen) den Ton in der Armee angeben.
Viele der abscheulichsten Verbrechen der menschlichen Geschichte wurden im
Namen der Religion begangen. Im Buch Josua steht, Gott habe den Kindern
Israels befohlen, eine allgemeine ethnische Säuberung im Lande Kanaan
auszuführen*. Die Kreuzfahrer begingen schreckliche Massaker in diesem Land
– und gegen Juden auf dem Weg hierher – während sie riefen : „Deus le volt!“
(„Gott will es!“) Heute vor drei Jahren sandte Osama Bin-Laden seine Leute
aus, um Tausende in den New Yorker Zwillingstürmen im Namen Gottes zu töten.
Möge Gott uns vor jenen bewahren, die in Seinem Namen reden wollen.
(Aus dem Englischen übersetzt von Ellen Rohlfs und vom Verfasser
autorisiert)
uri-avnery.de /
avnery-news.co.il
To discus this article:
hagalil.com/forum
*)
Anm.: Ein solcher Genozid fand nie statt. Dies ist nicht erst klar, seit
archäologische Befunde dies eindeutig beweisen, sondern schon in der Torah
selbst angelegt, da sie ganze Kapitel enthält, in denen Israel Anweisungen
und Gesetze zum Umgang mit den Götzendienern aus eben jenen
sieben
Völkern, die laut Sefer Jehoschu'a (Josua) ausgerottet werden
sollten gegeben werden. Z.B.
lesen wir in
Gittin 61 (Bab. Talmud):
"Man versorge die Armen aus den (sieben) Völkern mitsamt den Armen Israels,
und man besuche die Kranken derer aus den Völkern mitsamt den Kranken
Israels, und man begrabe die Toten derer aus den Völkern mitsamt den Toten
Israels - um des Friedens willen".
hagalil.com 10-09-2004 |
Die Erklärung der
Likud-Rechten
gamla.org.il
Die Erklärung der Jeshivot-Leiter
Arise
and kill first he who comes to kill you
1. We the undersigned call on the Israeli
government and its army to operate according to the principle of "arise and
kill first he who comes to kill you." We and the entire world have learned
this important principle, necessary for human survival, from the justice and
probity that have imbued the Jewish tradition for generations. This
principle has guided the behavior of the people of Israel since the age of
Moses in his war with the Midianites: "Vex the Midianites, and smite them,
for they vex you" [Numbers 25: 17-18]. This was the principle followed by
Jephthah the Gileadite, Saul, David, and all leaders of the armies of the
sons of Israel over the generations. This principle was followed by the
state of Israel in the 1967 war, and it is the tradition on which
international law is based. There is no need and no sense in waiting until
the aggressor attacks; he must be stopped before he begins.
2.
There is no war in the world in which a clear-cut distinction can be made
between civilians and army personnel. This is true in the world wars, the US
war in Iraq , Russia 's war in Chechnya , or Israel 's war against its
enemies. A nation fights another nation; a nation defeats another nation.
3. The question before us is whether we fight
the enemy in such a way that civilians among whom there are combatants die,
or whether we refrain from attacking for the sake of these civilians and
those who endanger the lives of our citizens. Rabbi Akiva had a simple
answer to this question: our life takes priority! Rabbi Akiva, who said that
to love one's brother like oneself is one of the greatest principles in the
Torah, also taught us that there are priorities, even between friends, to
say nothing about those who come to kill us.
4. We need not respect those preachers of
Christian morals who call on us to turn the other cheek, nor should we heed
those who have slipped to the lowest levels of logic and ethics by
preferring the lives of our enemies over our own lives. Clear thinking, a
natural conscience, Jewish traditions, and international law stand on the
side of our state, which is being attacked by vicious animals who blow up
children, and kill and bomb men, women, and the elderly whose only sin is
being a part of the people of Israel.
5. This fundamentally ethical stance does not
contradict the Prophets' promise of peace, or the great caution that the
Jewish people are wont to exercise to avoid harming the lives of a person
who is not participating in the war against us. Since its inception, the
Jewish people have been keen to observe the Lord's way of just rule. Caution
and mild-temperedness come naturally to us.
6. We support the army and its sincere
leaders in their mission. They devote their lives so that the state of
Israel may be victorious over its enemies and defend the country. We believe
it is extremely important to support them and shore up Israel 's national,
ethical morale. Let us be strong for our people and for the cities of our
Lord, without fear or terror.
-
Rabbi Danny Izak
-
Rabbi Benayahu Bruner
-
Rabbi David Dudkevitch
-
Rabbi Tsfanya Drori
-
Rabbi Haim Druckman
-
Rabbi Raim Hacohen
-
Rabbi Avraham Wasserman
-
Rabbi Elyakim Levanon
-
Rabbi Dov Lior
-
Rabbi Eliezer Melamed
-
Rabbi Shlomo Rosenfeld
-
Rabbi Amnon Sugarman
-
Rabbi Yuval Sharlo
-
Rabbi Yehoshua Shapira
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