Jüdisches Leben in EuropaMit der Hilfe des Himmels

Promises - endlich auf Video!


 

Scharons Rückzugspläne:
Geh nach Gaza!

Uri Avnery

Willst Du das Geschäft Deines Lebens machen? Dann geh nach Gaza! Du kannst mit von der Regierung zur Verfügung gestellten gepanzerten Fahrzeugen dorthin gelangen. Dort erhältst Du eine Villa, von der Du Dein Leben lang geträumt hast, zweistöckig und mit grünem Rasen – für fast nichts. Der Staat ist reich.

Du kannst dort Gewächshäuser aufbauen und Blumen und Gemüse ziehen. Es war mal eine Zeit, da konnte man palästinensische Arbeiter anstellen, die für einen Hungerlohn arbeiteten. Es gab für sie keine Alternative, weil ihnen das Land weggenommen wurde. Jetzt ist es zu gefährlich. Also wirst du Arbeiter aus Thailand anstellen – die bekommen noch weniger. Da gibt es keine rechtlichen Probleme, keinen Mindestlohn, keinen Jahresurlaub, keine Entlassungsentschädigung oder all diesen Unsinn. Israels Gesetze gelten dort nicht. Das maßgebende Gesetz ist ägyptisch (und stammt aus der ägyptischen Zeit von vor 1967) – und die Verhältnisse sind auch ägyptisch.

Du kannst die Produkte nach Europa exportieren. Das muss allerdings heimlich und unter falschem Namen geschehen, aber es kommt auf den Markt. Die Bürokraten in Brüssel werden wütend sein, weil dies das Handelsabkommen zwischen Israel und der Europäischen Union verletzt. Lassen wir sie wüten! Wer kümmert sich schon darum? Die Hauptsache ist, dass Du jene neuen Euroscheine erhältst.

Natürlich gibt es da ein Sicherheitsproblem. Du und alle anderen 7000 Siedler im Gazastreifen leben unter einer Million von Palästinensern. Ihr habt ihnen die wesentlichen Landreserven und die Hälfte des Wassers weggenommen. Deshalb seid Ihr dort nicht gerade beliebt. Aber was macht’s ? Die IDF wird Euch verteidigen – ein ganzes Bataillon, um eine Siedlung mit ein paar Dutzend Familien zu verteidigen, eine ganze Division für den Gazastreifen. Viele Soldaten. Viele Hauptquartiere. Viele gepanzerte Fahrzeuge. Viel Geld. Aber der Staat zahlt.

Wenn Eure Siedlung zu nahe an ein arabisches Wohngebiet reicht, gibt es ein Problem. Macht Euch keine Sorgen! Die Armee wird alle benachbarten Häuser in die Luft sprengen und das Gebiet "säubern". Das erlaubt der Siedlung, sich auszudehnen – dann wiederholt sich das Spiel. Die Hauptsache ist Eure Sicherheit -- und das Geld, das Ihr macht.

Und das ist nur der Anfang. Sollte wirklich entschieden werden, die Siedlungen im Gazastreifen zu evakuieren, und sollte die Entscheidung wirklich erfüllt werden (Du weißt ja, dass Entscheidung und Erfüllung zwei sehr unterschiedliche Dinge sind – also nicht unbedingt mit einander verknüpft sind), dann wird Geld rollen. Der Staat wird Euch eine Menge zahlen, wenn Ihr ruhig weggeht. So war es, als Menahem Begin die Siedlungen im Sinai auflöste. Die Siedler erhielten ein Vermögen. Diejenigen, die sich weigerten und erklärten, dass sie niemals ihre Häuser aufgeben würden, erhielten das Doppelte und mehr. Am Ende weigerte sich kein Siedler, das Geld anzunehmen.

Viele der vom Sinai Evakuierten nahmen das Geld und siedelten in Amerika oder Australien. Die Klugen gingen in den benachbarten Gazastreifen und werden ein zweites Mal eine Kompensation erhalten. Aber vorläufig bevölkern die Siedler die Fernsehstudios, rollen ihre Augen himmelwärts und behaupten, dass sie Ashkalon, Ashdod und sogar Tel Aviv verteidigen und dass deshalb der bankrotte Staat mehr Milliarden in die Siedlungen investieren müsste. Denn sie seien ja die "wirklichen Zionisten".

Teure Siedler. Teurer Zionismus.

Aber meint es Ariel Sharon wirklich ernst, wenn er über seine Entscheidung redet, fast alle Siedlungen im Gazastreifen zu evakuieren?

"Fast alle" - weil er drei Siedlungen, die ganz nah an der "Grünen Linie" also der Vor-1967-Grenze liegen, aufrecht erhalten will. Dies ist eine typisch israelische Methode: wenn wir nach viel Aufregung Gebiete aufgeben, behalten wir immer ein kleines Stück, damit der Konflikt weitergeht. Schließlich geben wir es ganz auf. Als wir das große Gebiet des Sinai evakuierten, einschließlich der Ölquellen, die Stadt Yamit und die Siedlungen, weigerten wir uns, das winzige, aber schöne Taba aufzugeben. Der Streit darum ging noch lange weiter, bis wir es endlich doch verließen. Als wir den Libanon verließen, hielten wir noch eine Sicherheitszone fest. Als wir - nach weiteren Hunderten von Toten - diese verließen, behielten wir noch die Shawa-Farm, wo unsere Soldaten weiter getötet werden. Wenn Sharon jetzt verspricht, die Siedlungen im Gazastreifen zu evakuieren, will er drei Siedlungen als Souvenir behalten.

Und deshalb fragt jeder zum wer-weiß-wievielten-Male: Was beabsichtigt er? Meint er es diesmal ernst? Verdient er all die verbalen Umarmungen und Küsse von Shimon Peres? Hat er sich zu guter Letzt doch noch in einen israelischen De Gaulle verwandelt?

Nun, jeder kennt seine Propaganda. Sie ist dafür bestimmt, die Aufmerksamkeit von der Bestechungsaffäre abzulenken, wegen der er in dieser Woche von hochrangigen Polizeioffizieren verhört wurde; sie ist auch dafür bestimmt, dem nagel-neuen Oberstaatsanwalt anzudeuten, dass der, falls er Sharon anklagt, einen historischen Schritt in Richtung Frieden sabotieren würde. Es geht am Vorabend von Sharons geplantem Besuch im Weißen Haus auch darum, dem Präsidenten der USA zu sagen, dass er bereit sei, ernsthafte Maßnahmen zu unternehmen und dass Bush ihm seinen Segen geben muss - und ein paar mehr Milliarden Dollar (um die Siedler zu bezahlen.)

Aber es ist nicht nur Propaganda. Diese Maßnahme passt zu Sharons Strategie. Er ist bereit, einen Finger zu opfern, um den übrigen Körper zu retten. Er ist bereit, Gaza mit seiner Million unerwünschter Palästinenser aufzugeben, dazu auch ein paar isolierte Westbank-Siedlungen, um das amerikanische Einverständnis zu erhalten, den größten Teil der West Bank zu annektieren.

Auch das ist keine neue Strategie. Ben Gurion gab 22% Palästinas auf, um die anderen 78 % zu behalten, anstelle nur der von den UN zugesprochenen 55 %. Menahem Begin gab den ganzen Sinai auf, um Ägypten aus dem Krieg zu halten, damit er sich auf die Übernahme der Westbank konzentrieren konnte. Sharon ist bereit, den ganzen Gazastreifen und 45% der Westbank "aufzugeben", um 55% der Westbank an Israel anzuschließen.

Das ist der "einseitige Schritt" – ohne Einverständnis der Palästinenser, die in Enklaven eingeschlossen, von Mauern und elektronisch überwachten Zäunen umgeben werden.

Das ist die Idee, die Sharon Bush verkaufen will: Sieh, ich evakuiere Siedlungen, im Gazastreifen und mitten in der Westbank, obwohl mir das sehr weh tut. Das ist ein riesiger Schritt in Richtung Frieden. Shimon Peres küsst und umarmt mich dafür (natürlich nur verbal!!).

Aber um einen solch gewagten politischen Akt auszuführen, benötige ich eine offizielle und öffentliche amerikanische Rückendeckung. Und, du musst mir versprechen, dich nicht einzumischen, wenn ich den Rest schlucke.

Natürlich bringt dies keinen Frieden. Dies wird auch keine Sicherheit mit sich bringen. Die Folge wird sein, dass Hamas den Gazastreifen und die palästinensischen Enklaven übernehmen wird. Es wird in Israel und überall in der Welt viel mehr Attentate geben. Es wird ein Krieg ohne Ende folgen.

"Geh nach Gaza" ist ein hebräisches Wortspiel. Gaza heißt auf hebräisch Asa; der Name wird im Slang als Abkürzung für Asasel/ Teufel verwendet. "Geh nach Asasel!" bedeutet: Geh zum Teufel! (vgl. 3.Mose 16,8).

(Aus dem Englischen übersetzt von Ellen Rohlfs und vom Verfasser autorisiert)
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