Jüdisches Leben in EuropaMit der Hilfe des Himmels

Promises - endlich auf Video!


 

Zum Programm der Arbeitspartei:
Ein Abklatsch? Wozu und für wen?

Uri Avnery

So unglaublich es auch klingt, die israelische Labor-Partei hat ein politisches Programm. Wie ein Zylinder für einen Obdachlosen. Anscheinend wurde dies Programm schon vor zwei Monaten angenommen. Ich hatte nur nichts davon gehört, bis sich jemand meiner erbarmte und mir eine Kopie davon als Fax zusandte.

Es ist die Labor-Partei, die nun überlegt, Shimon Peres’ Amtszeit als Parteiführer um ein oder zwei weitere Jahre zu verlängern. Shimon Peres, der als Außenminister Ariel Sharons diente, und der sich jetzt noch einmal danach sehnt, in die Regierung Sharons zurückzukehren. Und was hat die Partei anzubieten? Nur Gutes.

Gleich zu Beginn heißt es: "Die Siedlungsaktivitäten und die Herrschaft über das palästinensische Volk schaden der Sicherheit des Staates und seiner Bürger. Das demographische Gleichgewicht zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan gefährdet die Existenz Israels als jüdischen = demokratischen Staat. Deshalb ist die politische und demographische Trennung zwischen den beiden nationalen Entitäten die Grundlage jeder Vereinbarung."

Was in diesem Paragraphen fehlt? Es gibt kein einziges Wort über Moral und Gerechtigkeit. Moral und Gerechtigkeit verkaufen sich schlecht; und kluge Leute sollten diesen nicht zu nahe kommen.

Es gibt auch kein Wort über die Ungerechtigkeit der Besatzung. Ungerechtigkeiten verkaufen sich auch nicht. Jeder gute Werbetexter wird sagen, dass ein Programm nur darüber reden sollte, wie schlecht die Situation für Juden ist - z.B. palästinensische Frauen produzieren zu viele Kinder.

Welches Rezept also? Trennung. So wie Labors Ehud Barak zu sagen pflegte: "Wir hier – sie dort!"
Kein Zusammenleben in zwei einander freundlich gesinnten Staaten. Keine Versöhnung. Natürlich keine offenen Grenzen. Nicht einmal als Vision für die Zukunft. Nur Trennung. Ehud Barak bleibt der wahre Philosoph der Partei.

"Zwischen Israel und dem palästinensischen Staat kann Frieden nur durch politische Verhandlungen erreicht werden. Trotz alle dem (hebr.: im sot): solange Terrorakte gegen Israel fortgesetzt werden, wird Israel unbarmherzig und bedingungslos alle Mittel anwenden...."

Das ist die Quintessenz von Sharons Botschaft. Die Mutter allen Übels ist nicht die Besatzung, sondern der Widerstand gegen die Besatzung. Solange es dort Widerstand - "Terror" genannt – gibt, muss die Unterdrückung verstärkt werden. Und so lange es Terror gibt, hat es keinen Zweck, Verhandlungen zu führen.

Übrigens: achte auf den Ausdruck "trotz alle dem". Er ist so nützlich. Wir wünschen so inbrünstig den Frieden, "trotzdem" tun wir genau das Gegenteil.
Hat die Labor-Partei "Prinzipien für ein Friedensabkommen"? Sicherlich.

Das erste ist "Schluss mit dem Kampf und Terror in seinen verschiedenen Formen." Nicht das Ende der Besatzung, Gott bewahre! Damit kann man warten. Als erstes muss der Terror gestoppt werden. Genau wie Scharon.

"Die sichere und anerkannte Grenze zwischen Israel und dem palästinensischen Staat wird auf der Basis der 4. Juni 67er-Grenze festgelegt." Ausgezeichnet. Aber dann geht’s weiter: "und wird Veränderungen einschließen, die mit Sicherheitserfordernissen zu tun haben und dem Anschluss jüdischer Siedlungsblocks unter israelischer Herrschaft auf der Basis des Prinzips von Landaustausch zwischen zwei Staaten."

Also doch nicht die Grenze von vor 1967, die Grüne Linie. Da gibt es Sicherheitserfordernisse, die natürlich von der Regierung Israels entschieden werden. Was für Erfordernisse? Die Verbreiterung der "schmalen Taille" des Staates? Die Annexion des Jordantales? Andere Gebiete? Und wie steht es um die "jüdischen Siedlungsblocks"? Hier haben wir die Legitimierung der Siedlungen: von Kedumin in der Mitte der nördlichen Westbank (von Shimon Peres gegründet) bis Kiryat Arba im Süden (gegründet von Labors Yigal Allon).

"Groß-Jerusalem wird die Hauptstadt Israels sein!" Das ist eindeutig. "Groß-Jerusalem" ist ein bekannter Terminus. Der schließt das arabische Ost-Jerusalem mit ein. Aber mit verbaler Akrobatik überwindet der Labor-Werbetexter das Hindernis leicht: "Das Abkommen über Ost-Jerusalem wird auf dem Prinzip gegründet sein: "Was jüdisch ist, kommt zum jüdischen Teil; was arabisch ist zum arabischen Teil". Die arabischen Stadtteile in Ost-Jerusalem werden gleichzeitig "Hauptstadt von Israel" sein und "den Arabern gehören". Klar? Natürlich.

"Es wird keine Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge auf das Gebiet des Staates Israel geben." Dies ist der eindeutigste Satz im ganzen Dokument – und dies ist auch die einzige Bezugnahme auf vier Millionen Palästinenser. Sie zählen nicht. Ihnen muss nichts angeboten werden. Keine Lösung, geschweige denn eine Entschuldigung oder gar eine verbale Anerkennung. Wir sollen also mit der Hälfte des palästinensischen Volkes Frieden schließen – die andere Hälfte kann zum Teufel gehen. Aber die Führer des palästinensischen Volkes müssen natürlich bestätigen, dass dies das "Ende des Konfliktes" sei, wie es im nächsten Paragraphen festgelegt wird. Selbst Ehud Barak hätte es nicht besser formulieren können.

"Spezielle Sicherheitsvorkehrungen werden die Sicherheitsinteressen des Staates Israel absichern". Natürlich. Die Palästinenser haben keine Sicherheitsinteressen. Und wenn sie welche haben, wen schert das schon?

Und am wichtigsten: "Die Palästinenser werden den Staat Israel als den Staat des jüdischen Volkes anerkennen." Das heißt: Die Palästinenser müssen bestätigen, dass der Staat Israel einem Juden in Brooklyn gehört und dem Falashmura in Äthiopien, der behauptet, Jude zu sein. Aber Israel wird nicht einmal bestätigen, dass der Staat Palästina auch den Flüchtlingen in Sabra und Shatila gehört.

Das sind also die Friedensgrundsätze. Und was ist mit den "einseitigen Schritten" von Scharon? Man mache sich darum keine Sorgen – sie haben ihren richtigen Platz im Labor-Programm erhalten.

Im Gazastreifen zum Beispiel. "Der Sicherheitszaun wird verbessert und ausgebaut werden." Israel wird "weiterhin die Kontrolle über Luft und Meer haben." Das bedeutet, Gaza wird ein großes Gefängnis bleiben. Aber das ist noch nicht alles: "Der Sicherheitsstreifen zwischen dem Gazastreifen und Ägypten wird erweitert und verstärkt werden". Das heißt: noch mehr Stadtteile von Rafah werden zerstört werden, damit jeder Kontakt zwischen Gaza und der Welt abgeschnitten ist.

"Sobald der Terror innerhalb des Gazastreifens und der vom Gazastreifen ausgeht, aufgehört hat", werden viele gute Dinge geschehen. Das ist die Reihenfolge der Geschehnisse. Der 1.Schritt ist nicht die Evakuierung der Siedlungen, was zum Aufhören von Angriffen führen würde, sondern umgekehrt: zunächst müssen die Angriffe aufhören. Erst danach werden die Siedlungen evakuiert werden. Die Palästinenser sollen das glauben.

Was bleibt nun noch? Der Zaun natürlich. Anfangs war er von Laborführern erfunden worden. Später wurde er von Scharon in ein alles verschlingendes Monster verwandelt. Was hat die Laborpartei heute über ihn zu sagen?

"Ein durchlaufender Sicherheitszaun wird ohne Verzögerung entlang der Grünen Linie gebaut. Der Sicherheitszaun wird israelische Dörfer einschließen, die in der Nähe der Grünen Linie liegen." Israelische Dörfer? Was gemeint ist, sind die Siedlungen, die auf palästinensischem Land gebaut wurden. Und was bedeutet "in der Nähe"? Eine Meile? Zehn Meilen? Die Alfei-Menashe-Siedlung? Elkana? Der Etzion-Block? Efrata? Maale Adumim? Ariel? Kedumim? Und was ist der Unterschied zwischen diesem und Sharons sich schlängelndem "Zaun"?

Man möchte sich aber keine Sorgen machen. Inzwischen "werden bedeutsame Schritte unternommen, um die Lebensbedingungen der Bewohner zu verbessern" – genau wie in Scharons Reden.

Da bleibt dann nur noch eine Frage: Wer soll davon überzeugt werden, damit er für solch ein Programm stimmt? Nicht die Leute des Friedenslagers. Auch nicht die Wähler der "Mitte", die es nur in der Phantasie gibt. Jeder, der nach verbalen Tricks Ausschau hält, die die Fortsetzung der Besatzung verschleiern, wird sie bei Scharon finden. Wozu also ein Peres? Warum einen Abklatsch, eine Imitation, nehmen, wenn das Original für jeden bereit liegt?

(Aus dem Englischen übersetzt: Ellen Rohlfs und vom Verfasser autorisiert)
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