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Grenzen überschreiten:
Miteinander leben lernen – durch Schreiben

Von Imtiyaz Delawala, Ha’aretz, 12.09.2003
http://www.haaretz.com

Während die Gewalt im israelisch-palästinensischen Konflikt unvermindert weitergeht, versucht eine Gruppe junger Leute, die Grenzen zu beseitigen. Die Teenager –israelische Juden und Araber, Palästinenser und Jordanier- arbeiten gemeinsam an einer Zeitschrift, die sich "Grenzen überschreiten" nennt. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt, das im Jahr 1999 begann und Jugendliche unterschiedlicher Herkunft zusammen bringt, um ein farbiges, 32-seitiges Magazin zu produzieren, das alle zwei Monate veröffentlicht wird und kostenlos an Schulen und unter Jugendorganisationen der Gegend verteilt wird.

Diese Zeitschrift ist Teil eines Projektes, das sich "Miteinander leben lernen im Nahen Osten" nennt und vom "International People’s College" in Elsinore, Dänemark, begonnen wurde. Seit 1999 wurden 17 Ausgaben der Zeitschrift herausgebracht. Und erst kürzlich bekam dieses Projekt einen weiteren finanziellen Zuschuss von der Europäischen Union und dem dänischen Außenministerium, damit das Magazin zwei weitere Jahre lang publiziert werden kann.

Garba Diallo, Projektmanager von "Grenzen überschreiten", hat geholfen, das Konzept des Magazins in Dänemark zu entwickeln und Spenden zu sammeln, um es zu starten. Diallo ist der Meinung, dass das Programm darin erfolgreich ist, Jugendliche unterschiedlicher Herkunft zusammenzubringen und ihnen ein konkretes Forum zu geben, wo sie ihren Vorstellungen Ausdruck geben können, sowohl in der Zeitschrift wie persönlich.

Das Magazin bringt Berichte von Gymnasiasten, die unterschiedliche Meinungen bezüglich aller Themen des israelisch-palästinensischen Konfliktes beitragen. Es gibt außerdem Geschichten, die sich auf die Interessen der Teenager beziehen, wie z. B. Musik oder Technologie. Und es gibt Lyrik und kreatives Schreiben. 28 Teenager sind an der Zeitschrift beteiligt. Im Redaktionsteam sind vier Erwachsene, die die verschiedenen Gruppen der Jugendlichen koordinieren und die das Magazin turnusmäßig herausgeben.

Zusammenkommen

Shimon Malka, der die israelischen Jugendlichen, die bei "Grenzen überschreiten" mitarbeiten, koordiniert, sagt, er hat kürzlich über 100 israelische Teenager interviewt, die daran interessiert sind, an diesem Programm mitzuwirken. Zehn von ihnen hat er ausgewählt, damit sie im nächsten Jahr daran teilnehmen können.

"Jedes Jahr wählen wir neue Jugendliche aus –aus unterschiedlichen Ländern, Regionen, Religionen, politischen Vorstellungen- und bringen sie zusammen", sagt Malka.

Hanna Siniora, Herausgeber einer wöchentlichen Zeitung in Jerusalem, hilft dabei, die palästinensischen Jugendlichen, die am Projekt "Grenzen überschreiten" beteiligt sind, zu koordinieren und sagt, dass die Ziele des Programms darüber hinaus reichen, einfach ein Magazin zusammenzustellen. "Unser Gedanke war, dass wir die Jugendlichen dazu erziehen müssen, einander kennenzulernen und sich zu verstehen, wenn wir geeignete Führer für die Zukunft haben wollen", sagt Siniora.

"Grenzen überschreiten" tut dies hauptsächlich dadurch, dass die gesamte Gruppe während verschiedener Zeiten im Jahr in Ländern wie der Türkei oder Zypern zu Wochenendseminaren zusammenkommt. Hier können sich die Jugendlichen treffen und ihre Ansichten austauschen.

Der 17jährige Israeli Sapir Atias, der seit zwei Jahren bei dem Programm mitarbeitet, sagt, die Seminare finden an einem neutralen Ort statt, damit sich die Gruppe besser kennenlernen und Vorstellungen austauschen kann. "Man bekommt Abstand von allem, was zu Hause los ist, und man kann offener sein, weil man keine Freunde im Rücken hat, die vielleicht anderer Meinung sind", sagt Atias.

"Am Anfang sind die Treffen immer spannungsgeladen", sagt Malka und erklärt, dass verbale Auseinandersetzungen und Streitereien in den ersten Tagen eines jeden neuen Gruppenseminars normal sind. Er fügt hinzu, dass die jordanischen Jugendlichen oftmals als Brücke zwischen den verschiedenen Gruppen dienen. "Für sie ist es am einfachsten, freundlich zu sein, weil sie nicht in den Konflikt involviert sind."

Teil des Prozesses

Siniora erklärt, dass die Debatten Teil des Erziehungsprozesses sind. "Am Anfang versucht jeder, seinen Hintergrund zu erklären. Und jede Seite sagt der anderen: ‚Wir haben Recht.‘", sagt Siniora. "Doch langsam kommen sie dahinter, dass jede Seite einen Teil der Wahrheit besitzt, und sie verstehen die Position der anderen Seite. Und schließlich werden sie gute Freunde."

Zusätzlich zu den Vier-Tage-Seminaren veranstaltet das Projekt jeden Sommer ein zweiwöchiges Seminar zum Thema "Journalismus". Erst kürzlich kehrte die Gruppe von einem vierzehntägigen Seminar in Dänemark zurück. Hier nahm sie an Veranstaltungen zum Thema "Konfliktmanagement" teil und traf sich außerdem mit Journalisten und dänischen Regierungsmitgliedern wie z. B. dem dänischen Außenminister.

Die 17jährige Palästinenserin Jihan Abdallah, die seit drei Jahren an dem Programm teilnimmt, sagt, die Seminare haben ihr andere Ansichten von Israelis aufgezeigt, als die, die sie bisher kannte. Außerdem hatte sie die Chance, auch ihre eigene Meinung zu äußern.

"Es gab eine Menge Dinge, die ich mir von der Seele reden musste", sagt Abdallah. ""Grenzen überschreiten" ermöglicht das, lässt und einander zuhören und Dinge sagen, die gesagt werden müssen."

Abdallah sagt, die längeren Seminare ermöglichen es der Gruppe, mehr Zeit miteinander zu verbringen und ihre gemeinsamen Interessen als Teenager zu teilen. "Die Tatsache, dass sich "Grenzen überschreiten" nicht nur auf das reine Gespräch über die Geschehnisse konzentriert, bringt uns als Menschen zusammen, als junge Menschen", sagt sie.

"Es war nicht einfach"

Trotz der Freundschaften, die geschlossen wurden, sagen Organisatoren und Teilnehmer, dass die Gewalt der letzten drei Jahre die Arbeit des Magazins schwerer gemacht haben. Malka sagt, dass die Gruppe nach Ausbruch der Intifada im Herbst 2000 ein Notstandstreffen in der Türkei abgehalten hat, um die Lage zu besprechen. "Die Spannung war sehr hoch", sagt Malka. "Wir mussten der Gruppe verständlich machen, dass sie keine Fehler gemacht hat und nicht die Verantwortung für die Situation trug. Es war nicht einfach."

Das Schreiben für die Zeitschrift und der Besuch der Seminare hat es den Teenagern möglich gemacht, an die Themen des Konflikts auf eine konstruktive Art und Weise heranzugehen. Es war ihnen möglich, ihre Gedanken und Meinungen in Artikel fließen zu lassen und sie über simple Anschuldigungen hinausgehen zu lassen.

"Niemand ignoriert den Konflikt. Jeder stellt sich ihm. Was dabei besonders wichtig ist, ist die Art und Weise, wie man damit umgeht", sagt Malka.

Manchmal jedoch lässt sich die andauernde Gewalt einfach nicht überschreiten. Teilnehmer der Gruppe wollten sich vor wenigen Tagen zu einem Picknick in Jerusalem treffen. Doch nach der kürzlichen Welle der Gewalt wurde es abgesagt.

""Grenzen überschreiten" gibt es wegen der Situation hier", sagt Abdallah. "Wenn die Dinge schlimmer werden, reden wir nicht so viel, was eigentlich schade ist. Wir versuchen zu vergessen. Doch manchmal ist das schwer."

Diallo sagt, dass es einige Herausforderungen gab, inklusive einer kurzzeitigen Unterbrechung der Veröffentlichung der Zeitschrift im Frühjahr, weil u. a. durch die andauernde Gewalt die Spendengelder ausblieben.

"Die größte Herausforderung ist diejenige, angesichts der zunehmenden Gewalt mit positiven Aktivitäten weiterzumachen und genügend Spendengelder zu bekommen, während die internationale Gemeinschaft verzweifelt und hilflos zusieht und somit Spender dahingehend beeinflusst, weniger zu spenden, wenn die hiesigen Führer ihre Energien und nationalen Ressourcen auf die gegenseitige Zerstörung konzentrieren", sagt Diallo.

Doch bezüglich des Fortgangs des Projektes und seines zukünftigen Erfolges ist er hoffnungsvoll.

"Die Kinder waren viel weiser als die Politiker. Sie haben es geschafft, ihre Kontakte aufrecht zu erhalten und den Dialog konstruktiv weiterzuführen", sagt Diallo. "Indem sie sich auf die Aufgabe konzentrieren, das Magazin weiterhin zu veröffentlichen, lernen sie, wie man miteinander kooperiert. Und indem sie miteinander arbeiten, lernen sie die Meinung des anderen über die momentane Lage kennen und verstehen."

In einer der letzten Ausgaben des Magazins spricht die 18jährige Israelin Liat Margalit -die bald ihren Dienst bei der israelischen Verteidigungsarmee als Armeereporter beginnt- stolz über den Einfluss, den ihre Mitarbeit bei "Grenzen überschreiten" auf sie genommen hat. Sie sagt, die Seminare, die sie besuchte, ermöglichten ihr, ein neues Verständnis für den Konflikt zu erlangen und ihren Ausblick auf die Zukunft zu verändern. "Ich weiß nun, dass ich in mir die Kraft habe, all das zu tun, was ich wähle", schreibt sie. "Meine Wahl ist, die Dinge zum Besseren zu verändern."

Gegenwärtige Teilnehmer sagen, sie haben durch die Seminare von "Grenzen überschreiten" eine Menge über "die andere Seite" gelernt. Sie versuchen, das Magazin zu nutzen, um das Gelernte an andere weiterzugeben. "Wenn man die Meinung einer Person, eines Freundes ändern kann, dann erzählt dieser davon weiter, und der nächste erzählt wieder davon weiter, und so geht es immer fort", sagt Sapir.

Die Stimme des Friedens

Das Programm wächst. Durch weitere EU-Fördermittel wird "Grenzen überschreiten" in diesem Herbst einen neuen Zweig bekommen, nämlich die "Stimme des Friedens", ein Radioprogramm von israelischen und palästinensischen Jugendlichen, das am 4. November mit seiner Ausstrahlung beginnen soll. Der 4. November ist der Jahrestag der Ermordung des früheren israelischen Ministerpräsidenten Yitzchak Rabin. Das Programm befindet sich noch in der Anfangsphase. Man hat vor, drei Stunden am Tag zu senden, je eine Stunde in Hebräisch, Arabisch und Englisch. Möglicherweise wird die Sendezeit später sogar ausgedehnt werden.

Siniora sagt, das Ziel sei, "die Möglichkeit der Koexistenz zu zeigen" und die Reisebeschränkungen zu überwinden, die es vielen Jugendlichen der Region von unterschiedlicher Herkunft nicht erlauben, einander zu treffen.

"Um einen größeren Einfluss zu haben, benötigen wir ein Medium, das die andere Seite ohne Hindernisse erreichen kann", sagt er.

Übersetzung Daniela Marcus

hagalil.com 14-09-2003

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