Seit eine neue Welle von politischen Initiativen für den Nahen Osten
aufgetreten ist, allen voran das Genfer Abkommen, welches Anfang Dezember
unterzeichnet wurde, haben israelische Intellektuelle und Akademiker
hektisch unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten herausgearbeitet, um die
Palästinenserfrage anzugehen. Fünf Alternativen kann man im israelischen
Diskurs unterscheiden.
Die erste Option ist ein langfristiges Interimabkommen. Die Befürworter
dieses Ansatzes sind der Auffassung, daß die Palästinenser einfach nicht
reif sind für eine endgültige, umfassende Lösung. Somit wäre beiden Seiten
besser gedient mit einer mit einer abgeänderten "Roadmap" und sie über einen
Zeitraum von 15 Jahren ganz allmählich zu implementieren. Solch ein
Gradualismus trug aber wesentlich zum Scheitern des Oslo-Prozesses bei. Das
Problem mit so einer Vorgehensweise ist die, daß sie den Feinden des
Friedens auf beiden Seiten die Möglichkeit gibt, jedweden Fortschritt zu
stoppen.
Diejenigen, die mit den Siedlern im Bunde sind, befürworten die noch
extremere Strqtegie, einfach den derzeitigen Status Quo aufrechtzuerhalten.
Sie sind von der antiquierten Ideologie beseelt, ein Großisrael als
praktische Möglichkeit anzusehen. Die Beibehaltung des derzeitigen Zustands
würde ihrer Ansicht nach die Verwirklichung der historischen territorialen
Ziele Israels darstellen. Die Anhänger dieser Denkrichtung sagen dann auch
ganz offen, daß ein Frieden nicht in Israels Interesse ist.
Eine dritte Möglichkeit ist ein umfassendes Abkommen mit den
Palästinensern, etwa im Rahmen des Genfer Abkommens. Die Unterstützer dieser
Alternative glauben, daß die Fortsetzung der Besetzung oder, schlimmer, das
Ausschliessen einer Zweistaatenlösung nicht kompatibel mit der
Verwirklichung des zionistischen Traums eines jüdischen demokratischen
Staats ist. Sie stimmen Ariel Sharons Glaubenssatz, daß es einfach keine
Palästinenser gibt, mit denen man verhandeln kann, nicht zu. Das Genfer
Dokument habe das Gegenteil gezeigt.
Möglichkeit Nummer vier ist die einer Intervention der internationalen
Völkergemeinschaft. So eine Einmischung wäre ein Werkzeug der Israelis, eine
Zweistaatenlösung einzurichten. Sie ist zu unterscheiden von Martin Indyks
Vorschlag, der vor einigen Monaten eine treuhänderische Verwaltung zur
Debatte stellte.
Die letzte Option, die viel diskutiert wird, ist die des einseitigen
Rückzugs. Die Grundannahme der Befürworter ist auch hier, daß es keine
palästinensische Gesprächspartner gibt. Das Problem bestehe nicht nur mit
der palästinensischen Führung, sondern mit dem gesamten Volk. Sie sind
völlig unbeeindruckt vom Genfer Dokument, daß zweifelsferei belegt, daß
Palästinenser sowohl willens als auch in der Lage sind, den Frieden zur
strategischen Option zu machen. Sie unterstützen auch den umstrittenen
Trennzaun, wenn sie auch mit seinem Verlauf nicht einverstanden sind. Sie
sind jedoch nicht der Ansicht, daß der Rückzug zwangsläufig ganz bis zur
grünen Linie von 1967 erfolgen müse.
Die angeführten Auffassungen sind rein inoffizieller Natur, und keine
einzige von ihnen wird von der israelischen Regierung übernommen werden, die
wieder und wieder unter Beweis gestellt hat, daß sie mit den vielen
Friedensinitiativen in keiner Weise umgehen kann.
Mal ganz abgesehen von den Motivationen der verschiedenen Denkrichtungen,
eine Sache scheint klar: Israel existiert nicht in einem Vakuum. Jede
Alternative, die nicht die regionale Dynamik mit einkalkuliert, wird sowieso
scheitern. Die Israelis sollten endlich einsehen, daß sie in dieser Region
mit anderen zusammenleben müssen, nicht gegen sie. Die einzige Lösung , die
von den Mächten der Region akzeptiert weerden wird, ist die einer
Zwei-Staaten-Lösung.
Alles andere sind keine ernstzunehmenden Optionen, sondern nichts weiter
als phantastische Spinnereien. Vor kurzem haben Palästinenser und Israelis
erstmals ein Dokument unterzeichnet, daß, wenn auch inoffiziell die
schwierigsten und vertracktesten Fragen anspricht. Eine geistig gesunde
israelische Führung würde keinerlei Zeit verschwenden und auf diesen
Durchbruch aufbauen. Dies nicht zu tun wird die Lage nur verkomplizieren.
Hassan A.Barari ist Forscher am "Center for Strategic Studies" and der
Universität von Jordanien und der Autor von "Israelische Politik und der
Nahostprozeß 1988-2002".
Übersetzung: H. Waldenberger
Source: The Jordan Times, December 10, 2003